Zwei Dinge, die nicht zu den ersten Vorlieben des modernen Großstadtmenschen gehören, sind die Hauptkomponenten von David Claerbouts Kunst: Warten und Rätseln. Sehr geduldig entwickeln seine Videoarbeiten ihre Wirkungskraft, und viele verhalten sich im ersten Moment völlig konträr zum Medium an sich: Man sieht einen Film, doch er wirkt zunächst wie ein Foto auf einem Bildschirm. Bei dreieinhalb Sekunden durchschnittlicher Verweildauer vor einem Kunstwerk, die der Künstler Philippe Parreno einst für den normalen Museumsbesucher ermittelt hat, verpasst man bei Claerbouts Arbeiten den Genuss der stillen Überraschung. Auch mit dreieinhalb Minuten Geduld erfasst man den Clou mancher Arbeiten nicht, da Veränderungen im Bild häufig erst nach langer Betrachtung ersichtlich werden oder die Pointe nur für Sekunden erscheint. Die Arbeit Shadow Piece zeigt beispielhaft, wie man die Idee von Claerbouts Arbeiten übersieht, wenn man sich am ersten Eindruck sattsieht. [...]

Till Briegleb


Katalogauszug
fast forward 2. The Power of Motion
Media Art Sammlung Goetz
Herausgeber: Ingvild Goetz und Stephan Urbaschek
Ostfildern, Hatje Cantz, 2010