Ein Museum für Neue Kunst |
Götz Adriani
Was eine Sammlung und was ein Museum ist, darüber gibt es zahllose Meinungen und ebenso viele Veröffentlichungen, und uferlos erscheint die Literatur über das Sammeln und den Sammler im Allgemeinen. Wie so häufig, stammen grundlegende Erkenntnisse zu diesem Thema von Johann Wolfgang von Goethe. Selbst ein passionierter Sammler auf allen Gebieten seiner weit ausgreifenden Interessen, erklärte er seine Beweggründe vor allem in seiner Schrift Der Sammler und die Seinigen (1788/89). Dort hält er fest, dass der Sammler zwar seinen gesammelten Besitz nicht »der besessenen Sache, sondern [seiner] Bildung wegen liebe«, er gleichwohl aber hoffe, seinen ganzen Egoismus mittels der eigenen Sammlung zu befriedigen. Und schließlich kommt Goethe auch auf tiefer liegende Gründe der Sammelleidenschaft zu sprechen: Er, der ein einzigartiges literarisches Œuvre schaffen konnte, spürte das Verlangen, als Sammler und Liebhaber das Manko auszugleichen, nicht selbst auch bildender Künstler sein zu können. Sammeln wird hier also als kreative Ersatzhandlung, als notwendiger Impetus der Lebenserfüllung verstanden, die allerdings dort endet, wo die vollständige Sammlung ihr Ziel erreicht hat und dem Sammelimpuls seine Richtung und seine Freiheit genommen ist. Lange vor den italienischen Futuristen forderte deshalb schon Camille Pissarro, die Museen, sprich den Louvre, als Ort des Gesammelten anzuzünden; und Bruce Chatwin stellte die regelmäßige Auflösung der Sammlungen zum Zwecke des Neubeginns zur Diskussion: »Der Feind des Sammlers ist der Museumskurator. Im Idealfall sollten Museen alle fünfzig Jahre geplündert und ihre Sammlungen wieder in Umlauf gebracht werden.« Dass die Sammlungsbestände in der musealen Obhut dem steten Umlauf entzogen werden, ist allerdings nur für die Sammler selbst von Nachteil, denen dadurch die Möglichkeit des Erwerbs eines noch fehlenden Stückes genommen wird. Geradezu gegenteilig, nämlich als Gewinn, ist die öffentliche Zugänglichkeit von Sammlungen für die Allgemeinheit zu bewerten. Und in diesem Sinne wollte auch Goethe seine zu Lebzeiten eifersüchtig behüteten Sammlungsschätze nach seinem Tode behandelt wissen. Das Sammeln ist stets die nach persönlichen Interessen vorgenommene Tätigkeit Einzelner, die erst beim Übergang des privaten Sammlungsbesitzes in die öffentliche Hand in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Manche Kritiker gefallen sich darin, die neu entstehenden »Sammlermuseen« als höchst fragwürdige Einrichtungen zu bezeichnen, ohne zu berücksichtigen, dass nahezu alle Museen ehemals nichts anderes als »Sammlermuseen« waren, für die dann im Laufe der Entwicklung die öffentliche Hand die Verantwortung übernommen hat. Museen leben nicht nur zu einem guten Teil von der Sammeltätigkeit privater Kunstliebhaber und ihrem Mäzenatentum; sie sind aus diesem Impuls geboren. Die Veröffentlichung privater Kunstschätze ist also im unbedingten Interesse der Allgemeinheit, da sie nur auf diese Weise teilhat an einem sonst abgeschlossenen Bereich ihrer eigenen Kultur. Denn Kunst ist auch eine ausdrückliche Form des kulturellen Gedächtnisses der Gesellschaft, das im Museum bewahrt bleibt oder sich, im Falle der Gegenwartskunst, in Ausstellungen konstituiert. [...] Katalogauszug "just what is it..." |