ZKM | Museum für Neue Kunst  05.12.2009 - 11.04.2010
 
100 Jahre Kunst der Moderne
aus privaten Sammlungen in Baden-Württemberg
10 Jahre Museum
für Neue Kunst im ZKM

Sammlung Rudolf und Ute Scharpff
Das Domizil von Ute und Rudolf Scharpff in Stuttgart ist auch ein Ort des Experimentierens – »ein Labor für ganz junge Kunst«, wie der Hausherr es nennt: »Dinge hinhängen, prüfen und, wenn es etwas ist, weitermachen«, lautet seine Devise. Von Anfang an war das Sammeln junger Kunst das erklärte Ziel des Paares.

Ute und Rudolf Scharpff begannen in den 1960er-Jahren Kunst zu sammeln. Sie legten damals ihren Schwerpunkt auf die Nouveaux Réalistes, zu einem Zeitpunkt als die sich gegen die Abstraktion der 1950er-Jahre wendende Bewegung noch im Schatten der Pop-Art stand. Zu den Werken von Jean Tinguely (1925–1991), Daniel Spoerri (*1930), Yves Klein (1928–1962) und den sogenannten »Décollagistes« kamen Arbeiten aus der Zero-Gruppe hinzu. In der Ausstellung »Mit Kunst leben. Ausstellung aus württembergischem Privat­besitz« im Württembergischen Kunstverein Stuttgart, damals unter der Leitung von Uwe M. Schneede, traten sie 1973 zum ersten Mal mit ihrer Sammlung an die Öffentlichkeit. Ihrem Anspruch folgend, sich auf das Frühwerk von Künstlern zu konzentrieren, gaben sie 1979 ihre gesamte Kollektion des inzwischen etablierten Nouveau Réalisme zunächst als Dauerleihgabe an die Kunsthalle Mannheim, die diese später erwarb.

Auf der Suche nach neuen Positionen der Malerei begann die zweite Sammlungsphase mit Graffiti-Arbeiten aus den USA. Der Schwerpunkt lag jedoch bald auf der sogenannten Wilden Malerei mit Werken von Martin Kippenberger (1953–1997), Werner Büttner (*1954), Georg Herold (*1947) und Albert Oehlen (*1954), ein Bereich der noch immer prominent in der Sammlung vertreten ist.

Schließlich konzentrierten sich Ute und Rudolf Scharpff auf amerikanische Gegenwartskunst und strukturierten Teile ihrer Sammlung zugunsten der jungen Kunst jenseits des Atlantiks um: Sie konnten zentrale Werke von Robert Gober (*1954), Jeff Koons (*1955), Mike Kelley (*1954), Cady Noland (*1956) und anderen erwerben, die lange Zeit als Leihgaben in der Galerie der Gegenwart in der Hamburger Kunsthalle zum Kernbestand zählten. Als eines der Schlüsselbilder ihrer hochkarätigen Sammlung kann Koons’ Pink Bow (1995–1997) gelten, dessen konsumkritische Implikationen deutlich machen, dass die politische Dimension von Kunst für die Scharpffs ein wichtiges Auswahlkriterium ist.

In den 1990er-Jahren begeisterten sie sich erneut für Positionen der deutschen Malerei. Mit Hauptwerken von Franz Ackermann (* 1963), Michel Majerus (1967–2002), Daniel Richter (* 1962), André Butzer (* 1973) und Neo Rauch (* 1960), zu dessen frühesten und treuesten Sammlern Ute und Rudolf Scharpff zählen, rundeten sie ihre Sammlung ab. Diese wurde in den Jahren 2003 und 2004 mit der Ausstellung »Heißkalt. Aktuelle Malerei aus der Sammlung Scharpff« in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle und in der Staatsgalerie Stuttgart gewürdigt.

Ein eigenes Museum kam für das Sammlerpaar nie infrage. Dafür entschied es sich für das Konzept des »offenen Depots«, das es ausgewählten Museen ermöglicht, temporär auf bestimmte Konvolute der Sammlung zuzugreifen.

Die zeitnahe und zugleich zeitkritische Kunst ist für Ute und Rudolf Scharpff mehr als eine Leidenschaft: »Sammeln ist uns eine Existenzform geworden«, so Rudolf Scharpff 2004 in seinem Buch über ihr Lebensexperiment.

Text: Léa Kuhn