Sammlung Siegfried Weishaupt, Ulm |
Viele Sammler gehen beim Kunsterwerb eher strategisch vor. Siegfried Weishaupt lässt sich bei der Auswahl von Arbeiten hingegen vorwiegend von seiner Intuition leiten: »Ich sammle nicht konzeptionell ... Meine Sammlung ist im Wesentlichen, das sage ich ganz offen, aus dem Bauch heraus entstanden.« Und dass dieses Bauchgefühl ihn nicht trügt, dafür bürgt seine Kollektion, zählt sie doch zu den qualitätvollsten Privatsammlungen.
Mit Kunst kam Siegfried Weishaupt, wie viele andere Sammler auch, durch sein Elternhaus in Berührung. Sein Vater Max Weishaupt, Gründer des Familienunternehmens in Schwendi bei Ulm, lernte bereits zu Beginn der 1960er-Jahre das Umfeld der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm kennen und kam mit den Designern Hans Gugelot (1920–1965) und Hans Sukopp in Kontakt. Künstlerische Prinzipien des Bauhauses wie klare Gestaltungslinien zogen mit dem für das elterliche Unternehmen tätigen Designer Sukopp und dem Schweizer Grafiker Josef Müller-Brockmann (1914–1996) in die Firma ein. Zum Erwerb seines ersten »Originals« erzählt der Sammler: »Ich bin im Herbst des Jahres 1969 zusammen mit meinem Sammlerfreund Friedrich Rentschler und seiner damaligen Frau Heide zum ersten Mal bei Hans Mayer in seiner Galerie in Krefeld aufgetaucht und sofort fasziniert gewesen von einem Bild mit weißem Quadrat im Zentrum, mit weichen Grautönen, abgestuft nach außen zum Bildrand. Leider ist dieses wunderbare Bild von Albers kurz davor verkauft worden. Trotzdem sind Friedrich Rentschler und ich nicht ganz mit leeren Händen von dannen gezogen: er mit einem kleinen Soto und ich mit einem kleinen Lohse mit dem Titel Acht Farbgruppen mit horizontalem Zentrum, der sich heute noch wohlfühlt in meiner Sammlung. Was den Albers betrifft, so ist dieser viele Jahre danach doch noch in meine Sammlung gelangt als inzwischen zentrales Werk meiner konstruktiven Bilder neben einem später erworbenen Mondrian.« Solche präzise ausgeführten und von ihrer Formgebung her klaren Bilder gefallen Weishaupt als studiertem Ingenieur besonders. Von Josef Albers (1888–1976), aber auch Max Bill (1908–1994), Karl Gerstner (* 1930) und Richard Paul Lohse (1902–1988) sind in seiner Sammlung mittlerweile zahlreiche Arbeiten vertreten. Insgesamt spielt die Abstraktion, insbesondere jene der konkreten beziehungsweise geometrischen Richtung, darin eine tragende Rolle: »Abstraktion gibt mir die Freiheit, je nach Stimmung und Gedanken eigene Vorstellungen oder Empfindungen wahrzunehmen. Ich werde beim Betrachten abstrakter Bildwelten in keine bestimmte Richtung gezwungen.« Mit der Zeit erweiterten Siegfried Weishaupt und seine Frau Jutta ihren Sammlungsfokus, nicht zuletzt durch den freundschaftlichen Kontakt zu dem mittlerweile in Düsseldorf etablierten Galeristen Hans Mayer. Er war es auch, der beispielsweise nicht nur die persönliche Begegnung mit den US-Amerikanern Andy Warhol (1928–1987) und Keith Haring (1958–1990) vermittelte, sondern mit deren Kunst auch einen neuen Sammlungsschwerpunkt initiierte. Seit 2007 werden in thematischen und monografischen Ausstellungen Teile der mehrere Hundert Arbeiten umfassenden Sammlung in der eigens dafür errichteten Kunsthalle Weishaupt in der Mitte Ulms präsentiert. Das Gebäude wurde von dem Münchener Architekten Wolfram Wöhr entworfen. Leiterin der Kunsthalle ist Siegfried Weishaupts Tochter, die Kunsthistorikerin Kathrin Weishaupt-Theopold. Neben Klassikern der internationalen Farbfeldmalerei der 1960er-Jahre wie Werken von Mark Rothko (1903–1970), Morris Louis (1912–1962) oder Kenneth Noland (*1924), Werkkomplexen der Op-Art von Künstlern wie Victor Vasarely (1908–1997), François Morellet (*1926) oder dem erwähnten Jesús Rafael Soto (1923–2005), sowie Werke der Gruppe Zero – vertreten durch ihre Wegbereiter Lucio Fontana (1899–1968), Piero Manzoni (1933–1963) und Yves Klein (1928–1962) sowie Otto Piene (*1928), Heinz Mack (*1931), Günther Uecker (*1930) und Gotthard Graubner (*1930) – sind in der Sammlung Weishaupt auch Signetwerke der US-amerikanischen Pop-Art enthalten, repräsentiert unter anderem durch Andy Warhol, Roy Lichtenstein (1923–1997) und Tom Wesselmann (1931–2004). Ihnen stehen minimalistische Positionen gegenüber wie etwa jene von Agnes Martin (1912–2004) oder Ellsworth Kelly (*1923), aber auch die expressive Malerei eines Willem de Kooning (1904–1997). Ergänzt werden die amerikanischen Positionen durch Graffiti-Künstler wie Keith Haring oder Jean-Michel Basquiat (1960–1988) sowie insbesondere durch den vielseitigen Künstler Robert Longo (*1953). Die Beschäftigung mit diesen Werken förderte auch die Hinwendung zur aktuellen deutschen Malerei, vertreten etwa durch Markus Oehlen (*1956). Die Auseinandersetzung mit der abstrakten Kunst spiegelt sich in der Sammlung in Bildern und Skulpturen von Imi Knoebel (*1940), Liam Gillick (*1964), Jason Martin (*1970), Vincent Szarek (*1973), Gerold Miller (*1961), Ben Willikens (*1939) und Wolfgang Laib (*1950) wider. Schließlich sind auch die Medien Fotografie und Videokunst mit Werken von Jürgen Klauke (*1943), Bill Beckley (*1946) und nicht zuletzt des Medien- und Videokunstpioniers Nam June Paik (1932–2006) in der Sammlung Weishaupt repräsentiert. Text: Sebastian Steinert Kunsthalle Weishaupt, Ulm, Außenansicht Kunsthalle Weishaupt, Ulm, Innenansicht mit Blick in die Eröffnungsausstellung einfach sehen (mit Werken von Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol, Bertrand Lavier, Kenny Scharf und Keith Haring) |