Christoph Büchel |
(Mein Kampf), 2006 Der Schweizer Künstler Christoph Büchel bedient sich in seinen Arbeiten oft massenmedialer Artefakte wie militärischer Propaganda-Videos, politischer Pamphlete oder auch originaler Knüpfteppiche, zum Beispiel mit Darstellungen des Anschlags auf das World Trade Center. Büchels Arbeit (Mein Kampf) von 2006 besteht aus 1000 Exemplaren der arabischen Ausgabe von Hitlers Mein Kampf, die in einer improvisierten Verkaufszenerie schlicht auf Europaletten und in den originalen U.S.-Marlboro-Versandkartons ihres arabischen Verlegers arrangiert werden. Das Buch ist seit Jahren ein Bestseller in arabischen Ländern und verweist auf die bis in die 1930er-Jahre zurückreichenden Beziehungen der Nationalsozialisten zur arabischen Welt. Eine Schlüsselfigur dieser Verbindung ist Haj Amin Al Husseini (1893–1974), treibende Kraft des palästinensischen Nationalimus und Ehrenmitglied der SS. Als Gründer der bosnisch-muslimischen SS-Division Handzar war er maßgeblich am Genozid der serbischen und jüdischen Bevölkerung beteiligt. Sein Neffe und politischer Ziehsohn Yasser Arafat legte den Namen Al-Husseini zwar ab, brachte seinem Grossonkel jedoch nachweislich Zeit seines Lebens große politische Verehrerung entgegen. (Mein Kampf), ursprünglich 2006 als provisorisches Denkmal für den Residenzplatz in Salzburg an der Stelle geplant, wo die erste von Nationalsozialisten organisierte Bücherverbrennung 1938 in Österreich stattfand, wurde im Kontext des internationalen Karikaturenstreits von 2006 und der Salzburger Festspiele zensiert/abgelehnt. Tomorrow's Pioneers (Farfour), 2007 Tomorrow's Pioneers ist eine interaktive Fernsehserie für Kinder, die wöchentlich von Al-Aqsa TV, dem offiziellen Fernsehsender der Hamas, ausgestrahlt wird. Christoph Büchel benutzt dieses mediale Readymade als ironischen Kommentar zur religiösen Politpropaganda durch die Medien. Der Hauptprotagonist Farfour, eine Zwillingsmaus der westlichen Micky Maus, ist Mitglied der palästinensisch-islamistischen Widerstandsbewegung und indoktriniert auf lebendige und unterhaltsame Art und Weise ihr denkbar junges Publikum mit dem Hass auf Israel und den amerikanischen Imperialismus. Die medialen Readymades von Büchel sind oft nicht unmittelbar als Versatzstücke der Realität zu erkennen – zu sehr überrascht ihre lapidare Präsenz im hiesigen Kulturkreis, wo sie eine skurril-provokante, verstörende Wirkung entfalten. Christoph Büchel, * 1966 in Basel (CH), lebt und arbeitet in der Schweiz Christoph Büchel, (Mein Kampf), 2006 1.000 Exemplare von Mein Kampf (arabische Übersetzung), Plane, Kasse, Stuhl, Paletten, Kartons Courtesy the artist and Hauser & Wirth Zürich London Foto: Ch. Büchel Christoph Büchel, Tomorrow's Pioneers (Farfour), 2007 Video (Farbe, Ton) 10:59 min., Loop Courtesy the artist and Hauser & Wirth Zürich London
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