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Die religiösen Bewegungen der Gegenwart operieren in erster Linie mit Bildern, die sich mittels der Massenmedien fast augenblicklich über die ganze Welt verbreiten lassen. Die elektronischen Bildmedien Video und Fernsehen sind zu den ausgesuchten Medien der religiösen Propaganda geworden, da sie sich besonders schnell produzieren und verbreiten lassen. Die Rückkehr der Religionen, von der man heute spricht, bedeutet also nicht unbedingt, dass heutzutage mehr Menschen gläubig geworden sind, sondern vielmehr, dass sich die Religionen aus der privaten Sphäre des persönlichen Glaubens heraus in die öffentliche Sphäre der visuellen Kommunikation bewegt haben. Die Religionen funktionieren dabei zum einen als repetitive Maschinerien zur massenmedialen Verbreitung von mechanisch produzierten Bildern.

Zum anderen hat diese Repetition ihr Vorbild in der Wiederholbarkeit des religiösen Rituals, das der Entstehung aller späteren medialen Techniken der Reproduktion zu Grunde liegt. Die ursprünglichen Medien der Religion waren die Schrift und das Buch mit der gleichen Aufgabe der Verbreitung des Glaubens. Der Text diente allerdings auch dazu, den Glauben zu kanonisieren. Ohne Schrift keine Kirche, ohne Schriftrollen kein Glauben. Die Religion war also von Anfang an nicht nur an Medien gebunden, sondern war vielmehr durch den Anspruch der Wiederholbarkeit, den das Ritual verkörperte, selbst ein Medium. Die Religion bediente sich also nicht nur der Medien Schrift und Bild, sondern ist selbst ein Medium: Die Religion als Medium komplementiert die Medien als Religion.

Die Ausstellung »Medium Religion« möchte diese mediale Seite der Religion anhand aktueller Beispiele der religiösen Propaganda wie auch anhand einzelner Werke zeitgenössischer Künstler veranschaulichen. Der Horizont der Religion hat sich durch die Entwicklung der elektronischen Medien enorm erweitert. Die unaufwendige Speicherung der Botschaft (z.B. der Videobotschaft), die schnelle Verbreitung und die große, beinahe globale Reichweite (z.B. Fernsehen, Internet) lieferten das technische Fundament für die Rückkehr der Religionen in das öffentliche Bewusstsein. Da die Massenmedien das öffentliche Bewusstsein konstituieren, ist es nur logisch, auch die Religion, wenn sie sich der Massenmedien bedient (z.B. die Übertragung einer Papst-Messe aus Rom), wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt. Die Folge davon ist die Aufwertung auch minoritärer Glaubenserkenntnis und Glaubensbotschaften.

Gezeigt werden u.a. Selbstmörderbekenntnisse religiös inspirierter Terroristen, religiös-propagandistische TV-Serien und Dokumentationen über aktuelle Sekten und Glaubensgemeinschaften. Die künstlerischen Arbeiten, die neben diesen Dokumentationen gezeigt werden, entstammen meist demselben Zusammenhang wie die von ihnen thematisierten religiösen Bewegungen und stehen den religiösen Ritualen, Bildern und Texten der jeweiligen Kultur weder affirmativ noch kritisch, sondern eher blasphemisch gegenüber. Sie stellen die religiöse Symbolik der jeweiligen Kultur in einen unkonventionellen Kontext, um eine andere Wahrnehmung zu provozieren. So wird sowohl eine kritische Analyse der jeweiligen religiösen Ikonographie als auch ihre Überführung in die kulturelle Moderne möglich.

Als ureigenes Thema der Religion wird der Tod in der Ausstellung thematisiert - und zwar als Folge eines politischen, künstlerischen oder privaten Martyriums, wie es heute im politischen Bewusstsein der säkularen Moderne eine zentrale Rolle spielt. In der Ausstellung wird beispielhaft gezeigt, wie die Ikonographie dieser zivilen Religion ritualisiert und künstlerisch dargestellt wird und wie sie funktioniert.

Die Ausstellung »Medium Religion« gibt einen umfassenden Einblick in die mediale Reproduktion und Bedeutung von Religion wie sie sich heute insbesondere an geopolitischen Brennpunkten wie dem Mittleren Osten, Asien, Russland, USA und Südamerika manifestiert. Vieles wird erstmalig in Deutschland zu sehen sein und speziell für die Ausstellung wissenschaftlich aufbereitet oder neu produziert. Begleitend zum Projekt wird eine Publikation mit wissenschaftlichen Beiträgen zum Thema und einer Dokumentation der Ausstellung erscheinen.

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