Günter Saree |
Günter Saree und Joseph Beuys bei der Eröffnung einer Beuys- Ausstellung in der Bonner Galerie Klein, 10. April 1973 Courtesy Erhard Klein, Bad Münstereifel Die Arbeiten des Künstlers Günter Saree sind stark von der Aktions- und Konzeptkunst beeinflusst; geprägt von sprachlichen Strukturen und Immaterialität, wurden sie oft im öffentlichen Raum ausgeführt. Im Rahmen einer seiner späteren Arbeiten, dem Projekt zur Verkürzung der bewussten Lebenszeit, konzipiert für die documenta 5 im Jahre 1972, sollten sich die Besucher mithilfe eines Anästhesisten für kurze Zeit narkotisieren lassen können. Die zuvor auszufüllenden Formulare klärten sie über die gewöhnliche Mortalitätsrate (1:6000) einer solchen Narkose auf und enthielten Fragen nach Wünschen hinsichtlich einer gegebenenfalls nötigen Bestattung. Ein im Anschluss ausgehändigtes Zertifikat sollte die Bewusstseinslücke bestätigen, die Aktion wurde jedoch von der hessischen Ärztekammer verhindert. Überführte Saree das Tabuthema Tod in dieser Aktion noch eher beiläufig in den Kunstkontext, so vollzog er im folgenden Jahr einen weit extremeren Schritt: Inzwischen selbst unheilbar an Krebs erkrankt, stellte er nun sein eigenes Sterben und den Tod unübersehbar in den Raum. Bis kurz vor seinem Tod im Mai 1973 begab er sich auf Ausstellungseröffnungen – meist mit einem Tonband ausgestattet –, wo er die Anwesenden in Gespräche über Tod und Todesvorstellungen verwickelte. Als Artefakte seines Umgangs damit zeugen verschiedene Tondokumente sowie Fotos oder auch signierte Röntgenbilder seines vom Krebs gezeichneten Körpers. Um sicherzugehen, dass er seinen Tod selbstbestimmt und "unverfälscht" würde erleben können, trug er ab März 1973 ein selbst entworfenes Sterbetuch bei sich, dass er sich im Falle eines Kollapses noch überziehen wollte: "ICH BIN GÜNTER SAREE UND STERBE. BLEIBT RUHIG. RUFT ALLEIN MEINE FREUNDE. KÖLN 235837/249494/445704. GLEICHGÜLTIG, WIE SCHREIEND ICH MICH VON SCHMERZEN BEFREIE, KEIN ARZT DARF MEINEN TOD DURCH DROGEN VERFÄLSCHEN." In seinen letzten Aktionen hat Saree in vielerlei Hinsicht am Tabu des Sterbens und des Todes gerührt: Zeugen sie einerseits von der Verzweiflung eines vom Tod gezeichneten Mannes und seinem Wunsch, nicht unbemerkt zu gehen, so greifen sie zugleich heutigen Diskussionen über selbstbestimmtes Sterben vor. Vor allem aber thematisierte Saree den Tod in der Kunst denkbar konsequent (und nicht nur abbildhaft), er verwischte endgültig die Grenzen zwischen Sterben und Performance, zwischen Leben und Kunst und griff so bereits der Sterberaumdebatte eines Gregor Schneiders vor. Günter Saree, * 1940 in Eger (CZ), † 1973 in Köln (D) Günter Saree, Dokumentationsmaterial, 1972–1973 Courtesy Prof. Reiner Speck, Köln, und Erhard Klein, Bad Münstereifel Foto: Franz Fischer, Bonn Günter Saree, Sterbetuch, 1973 (Rekonstruktion, 2008) Joachim Hirling, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, 2008
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