Anja Nathan-Dorn (*1971) und Kathrin Jentjens (*1971) sind seit 2007 Direktorinnen des Kölnischen Kunstvereins.
Welche Orte, Personen oder historischen Ereignisse haben Sie in Deutschland besonders geprägt und warum? Tatsächlich sind es ja die Erfahrungen, die man im Ausland macht, die am nachhaltigsten für das eigene Deutschlandbild sind. Zurück zu Ihrer Frage. Kathrin Jentjens sagt, dass es die Bilder vom Fall der Mauer am 9. November 1989 waren, die ihr am stärksten in Erinnerung sind. Für mich (Anja Nathan-Dorn) war der Kalte Krieg vorher vielleicht noch massiver im Eindruck. Für unsere Arbeit in Köln ist die Wende jedenfalls eines der entscheidendsten Ereignisse. Denn die Situation der Kulturszene der Stadt hat unserer Meinung viel damit zu tun, dass Berlin 1990 zur Hauptstadt gewählt wurde. Wir sind der Meinung, dass Köln immer so etwas war wie die kulturelle Hauptstadt der von Bonn aus regierten BRD; dass sich Köln ohne viel Zutun als Kunstmetropole im Schatten einer der wichtigsten Hauptstädte in der Ära des Kalten Kriegs entwickelt hat, weil sich hier bestimmte, die westliche Gesellschaft bestimmende Themen kristallisierten – das Problem der Repräsentation beispielsweise. In der zeitlichen Spanne von 1990 bis zum 11. September 2001 kam es zu einem der größten Umbrüche der westlichen Welt, welcher nicht nur durch die genannten Ereignisse sondern auch durch eine Revolution der Kommunikationswege und die rasant fortschreitende Globalisierung ausgelöst wurde. Dieser zeigt sich letztlich in einer Krise der Demokratie und hierzulande in der Bindung an das System der sozialen Marktwirtschaft und der permanenten Frage nach der neuen weltpolitischen Rolle des Landes. Uns scheint, dass sich die Kölner, eben weil sie sich über die Konsequenzen des Hauptstadtumzugs genauso wenig bewusst waren, wie sie sich vorher über die Abhängigkeit von Bonn bewusst waren, durch vollständigen Bedeutungsverlust in einer regelrecht traumatischen Situation befinden. Unsere Vorgängerin, Kathrin Rhomberg hat versucht, den Kölnern die Auseinandersetzung mit Osteuropa und der neuen politischen Weltordnung als Thema vorzuschlagen und hat deren Reaktion darauf – wie in ihrer letzten Ausstellung deutlich sichtbar wird – als Blasiertheit interpretiert. Man könnte stattdessen vielleicht eher von Schock oder einer regelrechten Lähmung sprechen. Sicherlich tut es in Köln aber Not, sich zu der Frage der neuen Form von Demokratie mit der wir es nun zu tun haben, Stellung zu nehmen.
Ist die progressive Kölner Szene verschwunden und wenn ja, warum? Die Kölner Progressiven (Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle, Gerd Arntz) gab es bekanntlich nur bis 1933. Im Ernst, es gibt in Köln eine phantastische, interessante junge Szene, mit der wir auch gerne arbeiten. Nur international ist sie nicht mehr in gleicher Weise bedeutend wie Anfang der 90er Jahre. Allerdings kommen immer noch einzelne internationale Künstler nach Köln, um hier zu arbeiten, beispielsweise Owen Gump oder Kristina Leko