Digitale Medienkunst am Oberrhein.
Konservierung – Restaurierung – Zukunftssicherung
 
Antoine Schmitt

Still living, 2006
Antoine Schmitt

Schmitt MG 5447

Still living
ist eine Serie von Werken von Antoine Schmitt, die 2006 entwickelt wurde und derzeit aus zehn Elementen besteht. Der Espace Multimédia Gantner in Bourogne hat drei davon für seine Sammlung erworben: H, I und J. Jedes Element ist unabhängig von den anderen und eigenständig, ohne Interaktion außerhalb des Werks bis auf die auf dem Bildschirm erscheinende Datums- und Uhrzeitanzeige des Computers, was die Ausführung des Programms in Echtzeit unterstreicht.

Diese Bildschirminstallationen stellen Grafiken dar, die aus der Welt der Unternehmen und der Börse stammen: Kurven, Tortengrafiken, Balken. Diese Grafiken sind in Bewegung, animiert durch interne Kräfte in Form von durch den Künstler entwickelten Algorithmen.

Still living H stellt drei vertikale Balken sowie eine Tortengrafik dar: nur die farbigen Zonen, mal blau, mal rot, bewegen sich, die meisten Oberflächen bleiben weiß und unbeweglich. Die Bewegung, eine leichtes Schaukeln, ist subtil.

Still living I hebt in seiner Komposition eine blaue und eine rote Kurve hervor, die horizontal symmetrisch zueinander verlaufen und sich wiederholt überkreuzen. Die langsame Bewegung, die unvorhersehbar ist, wird zusätzlich durch Balken und eine Tortengrafik dargestellt.

Still living J basiert auf einer sich hektisch und nervös bewegenden zufälligen Kurve, ähnlich einer Darstellung der Börsenkurse. Neben der grünen Kurve folgen eine Tortengrafik und kleinere Balken dieser flüchtigen Bewegung.

Bei still living geht es Antoine Schmitt darum, mit jedem der Werke der Serie eine besondere Bewegungsqualität als zentrales Motiv seiner Arbeit vorzustellen. Daher hat er besondere Aufmerksamkeit auf den visuellen Aspekt (Komposition, Farben, Typografie, grafische Elemente eines industriellen und kapitalistischen Formalismus) gelenkt, um ihn transparent zu machen. Die animierten Grafiken sind die Manifestation der jeweils zugrunde liegenden Bewegung. Sie sind die Visualisierung, die der Künstler gewählt hat, um deren verschiedene Qualitäten hervorzuheben. Schmitt hat an der Gestaltung von zufallsbedingten Modulen gearbeitet, doch hat er durch eine rein zufällige Montage in Echtzeit ebenfalls Fragmente von gespeicherten Bewegungen gesammelt. Diese Bewegungen, die Ausschnitte aus dem Lebendigen sind oder das Menschliche imitieren, erhellen den Titel der Serie: Es geht um Stillleben, die aufgrund der Algorithmen des Programms lebendig werden.

Antoine Schmitt ist ein bildender Künstler aus Frankreich, der den Code als Arbeitsmaterial benutzt und damit seit den 1990er-Jahren den Begriff der Bewegung und deren Beziehung zur Form erkundet. Ursprünglich Programmierer im Bereich von Mensch-Maschine-Interaktionen und künstlicher Intelligenz, entwickelt er eine Serie oft minimalistischer Installationen – Vorrichtungen auf dem Bildschirm, online oder in der Stadt. Still living ist eins seiner formalistischsten und auch politischsten Stücke mit Blick darauf, dass die Serie die Quantifizierung der Wirklichkeit und des Lebendigen zum Gegenstand hat.


Konservatorische Maßnahmen

Still living von Antoine Schmitt ist ein Werk aus dem Jahr 2006, das auf heutigen Computern installiert werden kann. Es wurde auf Basis der Entwicklungsumgebung von Adobe Director (Version 10) konzipiert und funktioniert bei den Betriebssystemen Mac OS X und auf aktuellen PCs. Da die Entwicklung von Director durch Adobe gewissermaßen vorzeitig beendet wurde, ist es notwendig, über die Anwendung einer anderen Konservierungstechnik als der Migration außerhalb der Entwicklungsumgebung von still living nachzudenken.

Das Herzstück des Werks ist die programmierte Bewegung. Die Ausführung des Programms in Echtzeit, die die hochwertige Qualität der Bewegung ermöglicht, ist unerlässlich für die Integrität von still living; es geht nicht darum, eine Aufzeichnung des Bilds oder der Daten vorzunehmen, um sie anschließend wieder abzuspielen.

Der Zusammenhang zwischen der Bewegung und deren Form ist ebenfalls ein wichtiges Element des Werks. Die Algorithmen, die die Bewegung und die animierten Grafiken ermöglichen, können bei einem Update des Werks getrennt voneinander behandelt werden. Zusätzlich zum Quellcode (der die grafischen Elemente einschließt) geht es darum, den Algorithmus der Bewegung zu konservieren. Der zentrale Algorithmus könnte falls erforderlich in eine andere Programmiersprache übertragen werden, vorausgesetzt, dass die ursprüngliche Qualität und Dynamik der Bewegung erhalten bleiben. Der Code der zweiten relevanten Ebene, nämlich der kunstvoll ausgearbeitete visuelle Aspekt, der kapitalistische Formalismus, kann ebenfalls ersetzt werden, wenn die visuelle Wiedergabe so eng wie möglich den vom Künstler festgelegten Spezifizierungen des Werks folgt. Antoine Schmitt hat eine gewisse Anzahl an Parametern festgelegt: Komposition, Farbe, Typografie ...

Bei der Auswahl einer neuen Programmierumgebung wird man gezwungen sein, eigenständige und funktionsfähige Programme zu erstellen und Grafiken zu zeichnen. Eine zusätzliche Dimension für den Fortbestand des Werks liegt in der Wahl einer möglichst gängigen Software.

Durch Erfahrungen mit Werken, die nicht mehr funktionierten und die Antoine Schmitt umprogrammieren musste, um sie weiterhin zeigen zu können, sorgt der Künstler selbst schon vor dem Verkauf des Werks für dessen Fortbestand: Er liefert das Werk als durchführbares Programm mit einer Gebrauchsanweisung zur Installation und Präsentation und übergibt zusätzlich den Quellcode des Werks in der aktuellen Umgebung, um dem Erwerber eine Wartung zu ermöglichen.

Schmitt MG 9263

Fotos: ONUK

 
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