Digitale Medienkunst am Oberrhein.
Konservierung – Restaurierung – Zukunftssicherung
 
Jeffrey Shaw

The Legible City, 1989-1991
Jeffrey Shaw

Shaw MG 9190

The Legible City ist eines der Hauptwerke des australischen Medienkünstlers Jeffrey Shaw und ein Meilenstein der interaktiven Medienkunst der 1990er-Jahre. In dieser Installation wird dem Besucher durch die Benutzung eines in einem dunklen Raum stehenden Fahrrads eine virtuelle Reise durch projizierte Stadtansichten von Manhattan, Amsterdam und Karlsruhe ermöglicht. Große dreidimensionale Buchstaben bilden die Gebäude dieser Städte und setzen sich wiederum zu Wörtern und Sätzen zusammen, die einen literarischen oder historischen Bezug zum Ort haben. So wird die Erkundung der Stadt auch zur Leseerfahrung, die jeder Besucher frei für sich gestalten kann. Hierbei wird die reale physische Anstrengung auf dem Fahrrad in die virtuell hinterlegte Strecke umgewandelt. 

Ein Hauptanliegen Jeffrey Shaws ist seit Anfang seines Schaffens die Durchbrechung der traditionell durch die Kunstinstitution auferlegten Distanz zwischen Kunstwerk und Betrachter. In diesem Sinne sind die Prinzipien des Expanded Cinema, einer Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre, die sich der Partizipation des Betrachters öffnete, von großer Bedeutung für das frühe Werk Shaws. Shaw, der ursprünglich Bildhauerei studierte, zeigt in seinem gesamten Werk eine Vorliebe für die skulpturale immersive Ausdrucksform. Dabei ging es schon in den monumentalen Skulpturen aus aufgeblasenen Luftkissen, die oftmals mit Projektionen bespielt waren und die er in den 1970er-Jahren als Mitglied des Kollektivs Eventstructure Research Group schuf, darum, den Betrachter zum Mitwirkenden zu machen. Virtuelle Realität verstand Shaw wie das Expanded Cinema als weiteres Mittel, mit dem der Betrachter in das Werk einbezogen werden konnte. Den Wechsel zu computerbasierter Kunst unternahm Shaw ab Mitte der 1970er-Jahre. Im Computer sah er ein effizientes Medium für seine Arbeiten, da programmierte Softwarekonfigurationen als Module dienen konnten, die für weitere Kunstwerke lediglich angepasst werden mussten (zum Beispiel von The Legible City zu The Virtual Museum, 1991). 


Konservatorische Maßnahmen

Die Fallstudie zu Jeffrey Shaws Legible City beleuchtet zahlreiche Facetten der Konservierung digitaler Medienkunst zugleich. Zum einen basiert die interaktive Installation auf proprietärer und werkspezifischer Software. Zum anderen nutzt sie obsolete Hardware und Sonderanfertigungen. Beide Faktoren tragen zu einem hohen Aufwand bei der Erhaltung dieses Werks bei. 

Bisher verfolgte das ZKM hinsichtlich Legible City die Erhaltungsstrategie der hardware preservation (Definition siehe Glossar). Beispielsweise werden mit erheblichem Aufwand einige Exemplare des Computers Indigo² (Hersteller: Silicon Graphics), der schon seit 1997 nicht mehr hergestellt wird, gepflegt und bewahrt. Im Rahmen der Untersuchungen für die Fallstudie stellte sich der für das Werk speziell gefertigte Analog-Digital-Wandler – das Gerät, das als Schnittstelle zwischen den analogen Signalen des Fahrrads und dem Computer dient – als potenzielle Schwachstelle heraus. Nach einer Untersuchung und Dokumentation wurde eine voll funktionstüchtige Replik davon erstellt. Die in der Installation vorgesehene Interaktion durch den Betrachter wurde ebenso akkurat festgehalten. 

Nach Sicherung der werkrelevanten Daten wurden die erstellten Backups getestet. Zusätzlich wurde der 1989 von Jeffrey Shaw beauftragte Programmierer von Legible City (Programmiersprache C), Gideon May, zur Konservierung der Installation interviewt. Als optionale Maßnahme schlug May im Laufe des Gesprächs die Portierung der Software vor. Unter diesem Begriff versteht man die Übertragung eines Programms auf ein anderes Betriebssystem. Die Realisierung dieser Alternative ist mit einem hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden, stellt jedoch im Vergleich zur Erhaltung der Hardware in Anbetracht der Veralterung der SGI-Computer eine langfristigere Lösung dar und wird vom ZKM als Option erwogen.

Fotos: ONUK

 
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