Digitale Medienkunst am Oberrhein.
Konservierung – Restaurierung – Zukunftssicherung
 
Nam June Paik

Internet Dream, 1994
Nam June Paik

Paik MG 9283

Die Videowand Internet Dream von Nam June Paik besteht aus insgesamt 52 Monitoren und zeigt in wechselndem Rhythmus auf der großen daraus entstehenden Fläche patchworkartig elektronisch bearbeitete Bilder aus drei Videoquellen. Die vier zentralen kleineren, jeweils aus neun Monitoren bestehenden Bildflächen geben alle dasselbe Bild aus der ersten Bildquelle wieder, jeweils in versetzter Ausrichtung. 16 Monitore umrahmen dieses Geflecht und zeigen abwechselnd je eines der weiteren zwei Videobilder. Die Arbeit wurde ursprünglich von RTL Television, Köln, für das Foyer des Fernsehsenders in Auftrag gegeben. Im Zuge des Umzugs von RTL nach Berlin wurde sie dem ZKM als Schenkung überlassen. 

Internet Dream gehört zum Spätwerk des einflussreichen Avantgardekünstlers Nam June Paik. Ab Ende der 1980er-Jahre schuf Paik ein Reihe von Videowänden mit zunehmend bombastischen Dimensionen. Insbesondere kann hier Fin de Siècle (1989) genannt werden, eine Videoinstallation, die gar 201 Monitore zählte. Als Vorreiter der Videokunst sah Paik im Medium Fernsehen die Möglichkeit einerseits für eine Partizipation des Zuschauers, andererseits für eine Förderung der interkulturellen Verständigung verwirklicht. So widmete sich der Künstler nach seinen Anfängen mit experimenteller Musik und Happenings mit der Fluxus-Gruppe ab Mitte der 1960er-Jahre mehr und mehr dem Fernsehen: zunächst elektromagnetischen Experimenten an den Geräten selbst, dann der Videotechnologie (gemeinsam mit dem Ingenieur Shuya Abe entwickelte Paik einen der ersten Videosynthesizer) und ab Mitte der 1980er-Jahre der Satellitenübertragung. 

Der Titel dieses Werks zeugt von Paiks Interesse für das Internet. Schon 1974 sprach er sich für die Entwicklung eines „elektronischen Superhighways, eines Breitband-Kommunikationsnetzwerks“ aus und nahm so das Internet in seiner heutigen Form vorweg. Bereits in den frühen 1990er-Jahren betrieb Paik seine erste Website, Fluxus Online


Konservatorische Maßnahmen

Die Fallstudie zu Nam June Paiks Internet Dream unterscheidet sich grundlegend von den Fallstudien an den anderen Untersuchungsobjekten. Die Videoinstallation ist nicht, wie beispielsweise Jeffrey Shaws Legible City oder Hervé Graumanns Raoul Pictor cherche son style ..., der Gattung born-digital art (Definition siehe Glossar) zuzuschreiben. 

Die drei originären Videos bilden zusammen mit dem Videosplitter den Kern dieser Arbeit. Ursprünglich wurden drei analoge Wiedergabegeräte (Laserdisc-Player) genutzt, um die 52 Monitore der Videoskulptur zu bespielen. Die Laserdiscs des Werks – betitelt Cars, Main Channel P2 und RTL Stars – und die Abspieltechnik wurde in einem ersten Schritt durch DVDs und DVD-Player ersetzt. Im Zuge der Vorbereitungen zur Ausstellung Nam June Paik – Werke aus der Sammlung des ZKM (23.10.2008–18.01.2009) wurden erneut die Abspielgeräte ausgewechselt und das Werk ab diesem Zeitpunkt mithilfe von Flash-Card-Playern präsentiert.

Der Videosplitter, auch als Multi-Video-Prozessor bezeichnet, ermöglicht beispielsweise die Wiedergabe eines Videosignals (Quelle: Laserdisc-Player) auf einem Block von 3 x 3 Geräten, also auf insgesamt neun Monitoren. Im Fall von Internet Dream überträgt der Videosplitter das Signal (Main Channel P2) auf insgesamt vier Blöcke zu je neun Geräten, also auf 36 Monitore. Die verbleibenden 16 Monitore werden mit den Videos Cars und RTL Stars bespielt (jeweils acht Monitore, die ein identisches Signal wiedergeben).

Im Verlauf der Fallstudie hat sich das Splittingsystem von Internet Dream als Achillesferse der Installation herausgestellt. Der seit 1994 eingesetzte Videosplitter ist ein Produkt des südkoreanischen Herstellers DASH Systems. Da der Hersteller Paik bei der technischen Umsetzung zahlreicher seiner Werke unterstützt hat (unter anderem bei Megatron/Matrix [1995]), ist es wahrscheinlich, dass es sich bei dieser Apparatur um eine Sonderanfertigung handelt. Bereits 2008 kam es zu Unregelmäßigkeiten bei der Geräteabschaltung, die möglicherweise als Vorzeichen eines drohenden Ausfalls zu deuten sind. Ein zukünftiger Eingriff im Sinne einer technischen Adaption der Installation ist kaum vermeidbar. Im Rahmen der Fallstudie wird es notwendig sein, nach Alternativen für den Videosplitter zu suchen, diese zu analysieren und im Testlauf den Anforderungen des Museumsalltags auszusetzen. Da aktuelle Produkte auf leistungsfähigeren digitalen Technologien basieren, wird wohl auch die Videoinstallation Internet Dream sich nicht der digitalen Revolution entziehen können und mit jeder umgesetzten Konservierungsmaßnahme etwas digitaler.

Auch der Umgang mit den mittlerweile nicht mehr im Handel erhältlichen CRT-Monitoren stellt eine beachtliche konservatorische Herausforderung dar. Diese entspricht allerdings nicht dem Themenfeld des Projekts und wurde deshalb im Rahmen der Fallstudie nicht berücksichtigt.

Foto: ONUK

 
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