KÜNSTLERISCHE FORSCHUNG
 
Die Merz Akademie, die Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart, die Akademie Schloss Solitude, der Württembergische Kunstverein sowie das Institut für Auslandsbeziehungen verfolgen ein Kooperationsprojekt zur künstlerischen Forschung, um die Möglichkeiten neuer, ästhetischer Wissensformen sowie deren gesellschaftliche Funktion und Wirksamkeit zu thematisieren.
Unter künstlerischer Forschung wird eine Wissensproduktion verstanden, in der sowohl die Erkenntnispotentiale der Künste als auch die ästhetischen Bedingungen des Denkens Berücksichtigung finden. Im Kooperationsprojekt sollen die Eigenständigkeit einer solchen kunstbasierten Forschung und ihre spezifische Differenz zu wissenschaftlicher Forschung im Vordergrund stehen, um Wissensbildungsprozesse im Medium von Kunst und Gestaltung voranzutreiben, sie epistemologisch zu beschreiben, ihre ontologischen Implikationen herauszuarbeiten und ihren Stellenwert in der heutigen und künftigen Gesellschaft zu konkretisieren. Künstlerische Forschung ist weit mehr als die bloße Umsetzung oder Vermittlung wissenschaftlicher Kenntnisse. Sie zielt auf ein anderes, eigenständiges, in und durch künstlerische Strategien und ästhetische Darstellungsformen hervorgebrachtes Wissen, das sich in anderen Formen, Präsentationsweisen und Rezeptionsstrukturen als die Wissenschaften vermittelt, andere Evidenzen produziert und sich in einer ganz spezifischen Weise auf die Lebenswelt und die Gesellschaft auswirkt. Die künstlerische Forschung kann mit ihren Anfängen bis in die 1960er Jahren zurückverfolgt werden und hat sich zu einem Begriff entwickelt, der mit der avanciertesten Kunstpraxis in Übereinstimmung steht. Zugleich werfen die Verflechtungen von Kunst und Forschung eine Reihe von Fragen auf, die derzeit vor allem im hochschulpolitischen Kontext einer adäquaten ästhetisch-künstlerischen Bildung kontrovers diskutiert werden. Die Relevanz der neuen, in den Künsten entstandenen, Wissensformen wird mit dieser Fokussierung auf ihre akademische Anerkennung allerdings allzu sehr eingeschränkt. Das Kooperationsprojekt will die Verengung auf Fragen der Hochschulpolitik und die Diskussion um ein künstlerisches Doktorat verlassen und künstlerische Wissensformen als eine Herausforderung der heutigen Wissensgesellschaft, vor allem der Wissenschaften und ihres Anspruchs auf valide Erkenntnisgewinnung ernst nehmen. Es folgt der Annahme, dass die Rolle der Künste in der heutigen Wissensgesellschaft neu zu bestimmen ist, und es will die gesellschaftliche Reichweite der Wissenskünste eruieren. Denn die Wissensbildung in den Künsten tritt nicht nur mit dem Anspruch einer impliziten Wissenschaftskritik auf, sie zielt auch auf soziale Wirksamkeit ab. Sie stellt eine unmittelbare Öffentlichkeit her, will in die lebensweltlichen Routinen intervenieren und ist oftmals mit dem Anliegen verbunden, gesellschaftliche Zusammenhänge zu verändern. Welche Chancen hält also die Neubestimmung der Grenzverläufe zwischen Kunst und Forschung bereit? Welche epistemologischen und ontologischen Konsequenzen ergeben sich aus einem erst noch zu bestimmenden Kunstwissen? Wie können die Künste zu der Neuformierung heutiger Wissenskulturen beitragen? Welche interkulturelle Reichweite haben wissensbasierte Kunstformen? Wie wirkt sich das Wissen der Künste gesellschaftlich aus? Welchen Begriff von Gestaltung kann man im Hinblick auf die soziale, politische, kulturelle und interkulturelle Relevanz des künstlerischen Wissens formulieren?
Diese Fragen sollen im Rahmen eines Symposions diskutiert werden.
Initiatoren des Projektes sind:
Kathrin Busch, Markus Merz / Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien, Stuttgart
Hans D. Christ, Iris Dressler / Württembergischer Kunstverein Stuttgart
Felix Ensslin, Hans Dieter Huber / Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Jean-Baptiste Joly / Akademie Schloss Solitude
Elke aus dem Moore / Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart

Informationen zum Symposium »anderes wissen«, das am 19. und 20. Oktober 2012 an der Merz Akademie Stuttgart stattfindet, finden Sie auf der Webseite des Symposiums.