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Andreas Haus
László Moholy-Nagy, Dynamik der Groß-Stadt
Film. Skizze. Manuskript. Typophoto


László Moholy-Nagy (1895–1946), Multimediakünstler der ersten Stunde, erweiterte die Malerei um die Dimension des Photographischen und übertrug diese Ansätze in fruchtbar fortwirkenden Entwürfen auf Film, Bühnenbild und abstrakte Licht- und Raumkünste. Seine besondere Stellung erhält er dadurch, dass er vom Verfertigen "autonomer" Kunstwerke früh absah und schon 1922 für alle künstlerische Gestaltung der Neuzeit die Forderung aufstellte: Wir müssen "an die Stelle des statischen Prinzips der klassischen Kunst das dynamische des universellen Lebens setzen […]. Die dynamische Einzelkonstruktion weitergeführt ergibt das dynamisch-konstruktive Kraftsystem, wobei der in der Betrachtung bisheriger Kunstwerke rezeptive Mensch, in allen seinen Potenzen mehr als je gesteigert, selbst zum aktiven Faktor der sich entfaltenden Kräftewird." In diesen Zusammenhängen ist Moholys immer noch geheimnisvolles Projekt "Dynamik der Groß- Stadt" zu sehen. Es ist in zwei Fassungen überliefert, die Moholy beide Male selbst als "Skizze" bezeichnet hat. Beide haben den Charakter vorläufiger evokativer Notationen eines filmischen Ablaufs. Zu einer Verwirklichung als Film ist Moholy nie gelangt.
Die erste Fassung veröffentlichte Moholy 1924 in der in Wien erscheinenden ungarischen Exilzeitschrift MA, als deren Korrespondent er 1921–1923 tätig war: Ein doppelseitiges Layout mit dem Titel "Filmskizze. Zu Dynamik der Groß-Stadt", bestehend aus kleinen Linolschnitten, abgerissenen, notizartig weitere Bildmotive evozierenden Texteinschüben und einer angehängten Erläuterung in ungarischer Sprache. Die Leichtigkeit der naiv vereinfachten, kleinen Bildstempel und der spielerisch variierten Schrifttypen und Bewegungszeichen (Kreise, Pfeile) wirkt dadaistisch. Doch lauert im Titel des Ganzen eine mächtigere Dimension, die an den "Dinamismo" der Futuristen gemahnt – und auch an die Idee eines dynamischen Kräftefeldes, an dem der Betrachter aktiv teilhat.
Die zweite Fassung folgte ein Jahr später, 1925, in Moholys Buch Malerei Photographie Film unter dem Titel "Dynamik der Groß-Stadt. Skizze zu einem Film. Gleichzeitig zu Typophoto". Der erläuternde Beitext beginnt mit Moholys Hinweis, er habe die Filmskizze bereits 1921/22 zusammengestellt. In diesem Buch erschien das Ganze ausdrücklich als Beispiel der von Moholy entwickelten und "Typophoto" genannten funktionellen Verbindung von Photographie und typographischem Layout, die eine neuartige Gleichzeitigkeit von Sehen und Lesen anstrebt. Auf dem Innentitel des Bandes hatte Moholy vermerkt: "Dieses Buch wurde im Sommer 1924 zusammengestellt. Technische Schwierigkeiten verhinderten das rechtzeitige Erscheinen." [...]

Auszug aus: Hubertus von Amelunxen, Dieter Appelt, Peter Weibel in Zusammenarbeit mit Angela Lammert [Hg.], Notation. Kalkül und Form in den Künsten. Berlin: Akademie der Künste, 2008, S. 343-344