Howard Shubert |
Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Greg Lynns Projekt Das Embryologische Haus Greg Lynns Embryologisches Haus, 1997–2001 war ein frühes Schlüsselwerk digital kreierter theoretischer Architektur. Hinsichtlich seiner gleitenden und dynamischen Formen, der Tatsache, dass es mit Hilfe digitaler Animation geschaffen wurde, und der offenkundigen Beschäftigung mit fließenden und vektorbasierten Oberflächen, die gelegentlich als "Blob"-Architektur bezeichnet werden, ist es paradigmatisch für Lynns OEuvre. Greg Lynns Ehrgeiz bei diesem Forschungsprojekt war es, die Idee des Fertighauses neu zu denken und von dem modernistischen Begriff einer Form, die auf Modulen oder einem Bausatz beruht, zu einem neuen zu gelangen, der auf potentiell unbegrenzten, aus einer Grundform abgeleiteten Wiederholungen basiert, den er als "Primitiv" bezeichnet. Von den neuen Möglichkeiten der rechnergestützten Konstruktion (CAD, Computer Aided Design) und der computerisierten numerisch-gesteuerten Herstellung (CNC, Computer- Numerically-Controlled) erwartete man die Realisierbarkeit eines solchen Designprozesses. Das Embryologische Haus fungierte als eine Art "Testlauf", um zu ermitteln, was eine solche Architektur für Form und Herstellung bedeuten würde. Die ersten Forschungsphasen wurden von der Graham Foundation und dem Wexner Center, zwei amerikanischen Institutionen, finanziell gefördert. Greg Lynn (geboren 1964) ist ein amerikanischer Architekt, Designer und Lehrer. Nach dem Studium der Architektur und Philosophie arbeitete er in Peter Eisenmans New Yorker Büro, zudem als Chefdesigner der University of Cincinnatti School of Design, Architecture, Art and Planning und im Carnegie Mellon Institute. 1992 gründete er sein eigenes Büro – Greg Lynn FORM – und verlegte dieses 1998 nach Venice, Kalifornien, um sich die avancierten Design- und Herstellungstechnologien in Südkalifornien zunutze zu machen, welche dort vor allem im Luftfahrt-, Auto- und Produktdesign zum Einsatz kamen. Bei seinen Veröffentlichungen, seiner Lehrtätigkeit, derzeit sowohl an der University of California, Los Angeles, (UCLA) als auch an der Universität für angewandte Kunst in Wien, und in seinen Entwürfen und gebauten Werken bevorzugt Greg Lynn digitale Designprozesse, mit denen sich nicht nur Struktur, Dekoration, Detail und Form integrieren lassen, sondern auch die Gestaltung und Herstellung. Die Designentwicklung des Embryologischen Hauses, die sich dem Zusammenspiel von geometrischer Modellierungs- und Gestalt-Animations-Software einerseits und digital erzeugter physischerModelle andererseits verdankt, war damals bahnbrechend. Eine der Schlüsselideen, die sich aus der Forschung ergab, war die Idee, statt eines einzelnen Gebäudes ein Ensemble oder eine Serie nicht-standardisierter Objekte zu entwerfen. [...] Auszug aus: Hubertus von Amelunxen, Dieter Appelt, Peter Weibel in Zusammenarbeit mit Angela Lammert [Hg.], Notation. Kalkül und Form in den Künsten. Berlin: Akademie der Künste, 2008, S. 361 |