1968-69 Thek arbeitet in einem der Ateliers des Stedelijk Museums auf Prinseneiland. Dort entsteht Chicken Coop (Hühnerstall) und, mit der Hilfe von Sergio dei Vecchi, der erste Fishman (Fischmann) – ein weiterer Abguß seines Körpers, der mit in Gummi gegossenen Fischen bedeckt ist. In Amsterdam lernt Thek den Fotografen Edwin Klein, Ritsaert ten Cate von der Galerie Mickery und Felix Valk von der Galerie 20 kennen. Außerdem lernt er Contrucci kennen, einen italienischen Handwerker, der Zwerge und Tiere für Dekorationszwecke produziert. Thek nimmt einen Zwerg mit in sein Atelier und entwickelt um ihn herum den Dwarf Parade Table (Tisch der Zwergenparade).
Im Januar 1969 nimmt Thek an einer Gruppenausstellung mit den holländischen Künstlern Woody van Amen, Daan van Golden und Wim T. Schippers in der Galerie 20 in Amsterdam teil. Er hängt kleine 'Fleischstücke' an Stahlkabel, die an der Wand des Ausstellungsraums befestigt sind. Im März zeigt Thek den Fishman in der Stable Gallery, wo der Abguß an einem Baum im Hof der Galerie hängt. In der Galerie hängt ein Landschaftsbild von Ann Wilson. Er kehrt nach Amsterdam zurück, um weiter an seiner Ausstellung für das Stedelijk Museum, seinem ersten selbstinszenierten 'work in progress' zu arbeiten. Zum ersten Mal arbeitet er mit einer Gruppe enger Freunde zusammen, die er The Artist's Co-op (Die Künstler-Koop) tauft und die zu jener Zeit aus Franz Deckwitz, Edwin Klein und Sergio dei Vecchi besteht. Die Artist's Co-op-Ausstellungen fallen bewußt mit Ostern und Weihnachten zusammen. Die Ausstellung im Stedelijk Museum wird Ostern eröffnet. Zu The Procession/TheArtist's Co-op gehören Dwarf Parade Table, Chicken Coop und Fishman sowie mehrere Bilder von Vincent van Gogh aus der Sammlung des Museums. Die holländische Presse kritisiert Thek wegen dieser - ihrer Meinung nach - Respektlosigkeit gegenüber dem berühmten Künstler. Sie nennt ihn einen 'Chaosmacher' und gibt der Ausstellung die Spitznamen 'Museomasochismus' und 'Thek-tock'.Emmy Huf vonDe Volkskrant gegenüber erklärt Thek im April 1969: 'Natürlich werden sie [die Besucher] an der Nase herumgeführt, die ganze Institution Museum führt uns an der Nase herum. Es ist wirklich zu verrückt, die Arbeiten eines noch lebenden Künstlers als Kunstgeschichte in einem Museum zu zeigen. Duchamp hat einmal gesagt, ein Kunstwerk habe eine reale Lebensspanne von etwa 25 Jahren und werde dann Kunstgeschichte. Heute lebt es nicht einmal mehr ein Jahr... Das Museum ist wirklich mein Erzfeind... Ich möchte nicht als Kategorie, als repräsentativ für dieses oder jenes Jahr betrachtet werden... Ich bringe meine Arbeiten um, indem ich sie zeige.'
Das Stedelijk Museum und das Moderna Museet publizieren gemeinsam A Document Made by Paul Thek and Edwin Klein (1969). Das Buch besteht aus einer faksimilierten Seite der International Herald Tribune, auf der in unterschiedlichen Anordnungen verschiedene Fotografien und Objekte plaziert sind.
Zu Ostern gestaltet Thek für die Galerie Mickery in Loenersloot das Außenenvironment Decorations for a Tree, Wires and a Cross (Baumschmuck, Drähte und ein Kreuz), auch bekannt unter dem Titel The Procession/Easter in a Pear Tree (Die Prozession/Ostern in einem Birnbaum).
Thek zieht in ein Atelier in der Prinsengracht, wo er große Triptychen in Aquarell und Kreide auf Tafel sowie Bilder von Zwergen in Acryl auf Zeitungspapier malt.
Vom Nederlands Dans Theater erhält Thek den Auftrag, Bühnenbild und Kostüme für Glen Tetleys BallettArena zu entwerfen. Zu seinem Bühnenbild gehören ein Springbrunnen in einer Badewanne und gestapelte Stühle auf über dem Boden verteilten Zeitungen. Die Tänzer tragen lediglich Unterwäsche und haben rot geschminkte Ohren and Achselhöhlen. Zu dieser Zeit sieht man ihn häufig mit rot geschminkten Ohren auf dem Rad durch Amsterdam fahren.
Thek verbringt den Sommer auf Ponza. Er schreibt an Ann Wilson: 'Ich male Bilder von blauen Pfützen, Winslow Homer für Arme, oh ja, jedenfalls, ja, ich bin es auch. Paul der Pfützenmaler. Es liegt mir im Blut.'
Im Oktober fahrt er nach Köln, um seine zweite Ausstellung in der Galerie M.E. Thelen aufzubauen. An Ann Wilson schreibt er: 'Eine merkwürdige Fahrt auf dem Rücksitz eines deutschen Kombis mit einem neuen Fishman, der lang ausgestreckt im Auto liegt, und die Leute im Verkehr gucken und gucken. Wurde sogar von einem Polizisten aufgefordert, die Figur mit Zeitungen zuzudecken, um Kinder oder alte Leute nicht zu erschrecken. Also, das werde ich für die Ausstellung machen. Und einen Raum mit fliegenden Papierblättern und Eiern. Und ein oder zwei gemalte Pfützen. Sie haben mir für meine Ausstellung eine schreckliche Wohnung in Köln gemietet, da ich mich geweigert habe, in ihrer Boutiquen-Galerie auszustellen. Es ist eine sehr seltsame Paranoide-Polanski-Ekel-Wohnung im Parterre.' Thek zeigt Work in Progress at Brüsseler Platz und widmet es van Gogh.
Ende des Jahres reist Thek nach Ägypten, wo er die Pyramiden besichtigt. Er kehrt nach New York zurück und zieht zusammen mit Ann Wilson und Jill Johnston in ein Loft.
1970 Im Mai werden The Tomb und Chicken Coop in der von Martin Friedman organisierten Gruppenwanderausstellung Figures and Environments im Walker Art Center in Minneapolis gezeigt. Thek schickt detaillierte Pläne für den Bau der Teile und eine Einkaufsliste für Materialien und Requisiten: '... 5. Suchen und bauen: stabilen
rechteckigen... Holztisch, alten Schultisch, Arbeitstisch, etc. Im Käfig aufstellen. 6. Tierhandlung - 3 Paar bunte Vögel, klein, billig - Sorte, die mit Hühnern im Käfig leben kann + 2 Paar Tauben. 4 Hühner, 1 Hahn. Boden des Käfigs sollte Sand oder Erde sein, Kiesel, die kleineren Vögel brauchen eigene Vogelhäuschen, die im Käfig aufgehängt werden, eigene Futterspender, die Hühner brauchen Schüsseln etc. Wasser. 7. Lacke bereithalten - gelb, oran., rot, lila, blau, grau... alte Zeitungen, Lumpen, 7 m starken, flexiblen Gummischlauch (wie für Einläufe), weißes Bettlaken (möglichst nicht neu), Kissen (ohne Bezug), 13 Eßteller (wenn möglich Anstaltsgeschirr, am besten weiß oder rosa).' Im Juni zeigt Thek in der Stable Gallery seine Zeichnungen auf Tafel und die Zwergenbilder auf Zeitungspapier. Im Oktober schließt die Galerie. Er kehrt nach Ponza zurück. Im Oktober schreibt er an Birgit Küng: 'Ich male immer noch & finde endlich den Mut, nach draußen zu gehen und zu malen... nur sind die Probleme jetzt Comics, denn die Stable Gallery macht zu... Irgendwie bin ich ganz froh, denn ich bin definitiv fertig mit dem Laden, aus, ich hoffe nur, daß jemand mit meinem Talent nicht verhungert... Mein Kopf ist voll von Skulpturen + Tischplatten-Traumenvironments - wenn ich nur einen Raum hätte, wo ich das alles bauen könnte.' Um Weihnachten herum bauen Thek und Franz Deckwitz das Environment Crèche in der Galerie Mickery. Später schreibt Thek in einem sogenannten `beruflichen Werdegang': 'Ich machte eine Weihnachtsausstellung, eine lebensgroße crèche (Krippe), in der die Zuschauer ungewollt zu den "Figuren" werden. Wenn ich innerhalb unseres bestehenden kulturell-theologischen Erbes arbeite, finde ich sehr viel größeres öffentliches Interesse und Engagement; vielleicht ist eine der Funktionen der Kunst die Wiederbelebung'. Thek fängt an, Notizbücher zu schreiben, was er bis zum Ende seines Lebens tun wird. Die Bücher bestehen aus Notizen, Zeitungsausschnitten, Zitaten seiner Lieblingsautoren wie zum Beispiel dem Hl. Augustin und William Blake, Aquarellen von Landschaften, Ideen, Gefühlen und Bildern, die später in seinen Bildern, Skulpturen und Environments wieder auftauchen.
1971 Thek pendelt zwischen Paris und Amsterdam. Er lernt den Kunsthändler Alexandre Iolas kennen, der Mitinhaber mehrerer Galerien in Madrid, Mailand und Paris sowie der Brooks Jackson Gallery Iolas in New York ist. Thek besucht eine Aufführung von Deafman Glance des Theaterregisseurs Robert Wilson. Nachdem er das Stück mehrmals gesehen hat, fragt er Wilson, ob er mitmachen kann. Er spielt eine Reihe kleinerer Rollen. An Peter Harvey schreibt er: 'Ich habe mit Wilson in Paris und Amsterdam gespielt. Wir arbeiten gut zusammen. In seinem Stück gab es Fische, die in Bäumen hingen. Ich wollte es nicht glauben. Rosa Pyramiden...' Die Ausstellung im Moderna Museet in Stockholm findet Ende 1971 statt. Thek arbeitet mit 0lle Granath, dem Nachfolger Pontus Hulténs als Kurator der Ausstellung zusammen. Die Artist's Co-op für diese Ausstellung mit dem Titel Pyramid/A Work in Progress besteht aus der Schauspielerin Michèle Collison, Künstler Toby Schümmer, Franz Deckwitz, Edwin Klein und Ann Wilson. Die Besucher betreten das Environment durch eine große Pyramide und laufen dann an einem Springbrunnen in einem Waschbecken, einem rosa Vulkan, dem Stag in the Boat, dem Fishman in Excelsis Table, dem Dwarf Parade Table, dem Chicken Coop und dem Leichnam aus The Tomb entlang. Bandaufnahmen von Geräuschen und Musik der Artist's Co-op gehören ebenfalls zum Environment. Thek schreibt im Februar 1972 an Franz Deckwitz: 'Die Kritiken waren fantastisch. Jenseits aller Vorstellungen. Sie machen mir ehrlich gesagt ein bißchen Angst, sie waren soso genau verstanden, was ich wollte... Es war eine sehr anstrengende Zeit. Eine Ausstellung, über die ich 4 Jahre nachgedacht habe - und vor der ich weggelaufen bin - und die ich machen wollte - und nicht machen wollte. Jetzt ist es ausgestanden, bis zum nächsten Mal. Was "das nächste Mal sein wird, ich -weiß es nicht, nicht dasselbe - unmöglich. Aber etwas anderes. Dicker. Tiefer... Ich möchte einen realen Ort zum Ausruhen + Andächtig sein machen, nicht einfach nur Kunst.'
1972 Im März baut Thek in der Galerie M.E. Thelen in Essen A Station of the Cross (Eine Station des Kreuz(weg)es). Er entwirft das Bühnenbild, zwei Prospekte mit einem riesigen Dinosaurier und einem Vulkan, für Robert Wilsons Pariser Aufführung von Overture for Ka Mountain and GUARDenia Terrace. Mit der Artist's Co-op - diesmal mit dem Künstler Lee Fitzgerald (Wahundra), Edwin Klein, Lily Nova, dem Künstler Karl Stuecklen und Ann Wilson - baut Thek eine Installation für die documenta 5 auf, deren Direktor Harald Szeemann ist. Das Environment mit dem Titel Ark, Pyramid leitet sich aus der Installation im Moderna Museet her. Nach der documenta 5 kehrt Thek nach Oakleyville und nach New York zurück. Er mietet ein Loft in der Prince Street, wo er anfängt, große Bilder von Innenräumen und Stadtansichten zu malen. Aus New York schreibt er an Franz Deckwitz: 'Ich versuche hier jetzt ein paar Bilder zu malen, ein paar richtige Bilder, Öl auf Leinwand, aber es ist unheimlich schwer, wieder anzufangen, das Schwerste, was ich jemals gemacht habe... Ich versuche, ein paar Bilder von NYC zu malen, vor allem von den beiden Gebäuden des neuen World Trade Center, die sogewaltig, GEWALTIG sind. Ich nenne sie Sodom undGomorrha, was ziemlich genau trifft, NYC und die USA sind heute sehr anders.'