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AUSGEWÄHLTE BEKENNTNISSE

Eine Biographie

1950 - 68 | 1968 - 72 | 1973 - 77 | 1978 - 85 | 1986 - 88

1978 Thek kehrt nach New York zurück. Er schreibt an Franz Deckwitz: 'Die Dinge stehen für mich im Moment schlecht. Ich lebe von geliehenem Geld, und nur gelegentlich gelingt es mir, etwas zu verkaufen. Weißt Du, ich war zu lange weg aus diesem Land, und jetzt haben sie fast überall neue Leute, und selbst für die ist es schwer. Amerika ist sehr vom Konkurrenzdenken geprägt, es verändert sich ständig, und es war nicht sehr klug, daß ich so lange von zuhause weg war, die Zeit kam und ging, und für mich ist es jetzt ein bißchen so, als ob ich wieder ganz von vorne anfange, nur habe ich diesmal nicht die Energie und das kreative Interesse wie früher... Ich habe jetzt ein paar Monate aufgehört zu malen, ich habe wohl das Interesse daran verloren, und so habe ich hier einen Job in einer Art Supermarkt angenommen.'
Thek wird eingeladen, 1978-79 ein Seminar an der Cooper Union School of Art in New York abzuhalten.
Felix Valk, jetzt Direktor des Lijnbaancentrum in Rotterdam, einem Ausstellungsraum in einer beliebten Einkaufsstraße, lädt Thek ein, eine neue Installation zu machen. Er antwortet: `ICH HÄTTE AM LIEBSTEN DEN DEZEMBER-TERMIN. Wie Du vielleicht weißt, verbinde ich die Ausstellung gerne, wenn möglich, mit Feiertagen. Ich finde, das Publikum versteht meine Arbeit besser, versteht besser den "liturgischen" Charakter der Kunst... Weihnachten ist mir am liebsten.' In Rotterdam stößt er auf die Arbeiten von Peter Wiersma, einem Sand-Bildhauer, und lädt ihn ein, einen Tower of Babel in Sand zu machen, und zwar nach dem Modell von Breughels berühmtem Gemälde, das Thek im Museum Boymans-van Beuningen in Rotterdam gesehen hatte. Um den Sandturm herum installieren Thek und Franz Deckwitz Jack's Procession: What's Going on Here? (Jacks Prozession: Was ist hier los?), zu der auch ein Porno-Video gehört. Das Videoband wird auf Anordnung der örtlichen Polizei entfernt.

1979-80 Zurück in New York gibt Thek seinen Job im Supermarkt auf und arbeitet als Putzhilfe in einem Krankenhaus. Er schreibt an Franz Deckwitz: 'Ich fange wieder an zu malen, kleine Leinwände, sehr klein, 9" x 12" [23 x 30 cm], alle in unterschiedlichen Stilen, alle mit verschiedenen Themen, obwohl ich eine Menge an Kandinsky, Klee, Gustave Moreau... und an Niki de St. Phalle denke.' Diese Bilder werden 1980 als Small Paintings bei Brooks Jackson Gallery Iolas in New York gezeigt. Der Kurator Richard Flood beschreibt die Ausstellung in Artforum, Mai 1980: 'Die 18 Bilder des Künstlers... (in denen ein Bambus-Motiv dominierte) waren ausgestellt in falschen Goldrahmen mit daran befestigten Museums-Bogenleuchten und Lochstreifen-Etiketten als Ersatz far Messingschilder. Zarte, vergoldete Stühle... waren um einen Tafelaufsatz aus tödlichen Orchideen gegenüber den Bildern aufgestellt. Das intensive Theaterlicht auf den Stühlen und den Blumen machte sie auf den ersten Blick zum Mittelpunkt der Ausstellung... Die Strategie der Installation maß explizit literarische Titel an unbeständig auftauchenden Bildern und Ästhetiken. Das Zusammenführen von visuellen und verbalen Klischees, Verweisen auf hohe und niedere Kunst, schlingerte direkt in die "vergiftete Feige"-Kunstschule der Postmoderne
Thek wir von Harald Szeemann eingeladen, an Art of the 70s auf der Biennale in Venedig 1980 teilzunehmen. Gegenüber Szeemann bemerkt er: 'Ich muß sagen... daß ich den Titel Art of the 70s für eher unglücklich halte, forderst Du mich etwa auf, an der Vergangenheit teilzunehmen? Mir geht es immer noch gut auf dem Weg in die 80er!' Thek baut zusammen mit Franz Deckwitz und Peter Wiersma ein Environment, Where Are We Going? (Wo gehen wir hin?) mit einer zweiten Sand-Version des Tower of Babel sowie 'kleinen Bildern'.
1980-81 hält Thek ein Seminar an der Cooper Union School of Art ab, in dem er den Studenten sein Unterrichtskonzept vorlegt und ihnen Fragen zu Kunst, Philosophie, Sex und zum Leben stellt.

1981 Im April nimmt Thek an der von Michael Compton organisierten Ausstellung Continuous Creation in der Serpentine Gallery in London teil. Thek und Franz Deckwitz installieren This is the Time to Give it a Name: the Earth! the Raft, the Tower of Babel, the Earth, Etc. (Dies ist die Zeit, ihr einen Namen zu geben: die Erde! das Floß, der Turm zu Babel, die Erde, Etc.). Im Mai schreibt Thek an Deckwitz: 'Seit ich von London zurück bin, habe ich nicht mehr gearbeitet, ich habe scheinbar alles Interesse am Arbeiten verloren... Ich habe mich gestern mit den Leuten von Artforum getroffen, und sie waren schockiert, daß es in diesem Land in keiner öffentlichen Sammlung Arbeiten von mir gibt, etc... Ich denke, "meine Zeit wird kommen", deshalb will ich es nicht FORCIEREN oder anschieben, denn dann kommt es, und dann ist es VORBEI, also warte ich lieber ein bißchen länger und genieße es dann vielleicht mehr. Wenn ich nicht für die 60er und 70er Jahre da war, schleiche ich mich vielleicht ein bißchen in die 80er und 90er! Jedenfalls, warum sollte ich es nicht versuchen?' Im Oktober veröffentlicht Artforum ein Interview mit Thek von Richard Flood.
Der Ausstellungsmacher Kasper König ist daran interessiert, The Tomb in seiner Ausstellung Westkunst, Zeitgeassische Kunst seit 1939 in Köln zu zeigen. Thek schreibt an Deckwitz: 'Ich will diese Arbeit wirklich nicht NOCH EINMAL machen! Oh Gott, nein! Nicht DIE. Stell Dir vor, Du mußt Dich selbst wieder und wieder beerdigen!' Er erklärt sich damit einverstanden, daß Deckwitz die Arbeit für ihn installiert und gibt ihm detaillierte Anweisungen, wie die Replik von The Tomb zu konstruieren und die Figur, die in den 70er Jahren beschädigt worden ist, zu plazieren ist: 'Ich würde den Körper in der Kiste lassen und sie ein Stück von der Eingangsglaskabine plazieren, in derselben Position wie im ursprünglichen Grab, nur die Leiche in der Kiste auf dem Boden. Gib ihr eine schöne blaue Decke und ein schönes frisches Bettlaken und einen Kissenbezug. Wenn Du 2 oder 3 kleine Sitzkissen finden und sie auf den Boden vor die Kiste legen kannst, so als wenn da ein paar Leute gesessen hdtten und dann weggegangen wären...' Im August schreibt Thek aus New York an Deckwitz: 'Ich male mehr Bilder auf Zeitungspapier, interessant, bringt den Kopf zur Ruhe, und super GÖR, aber ich vermisse immer noch die gute Malerei auf Ponza, die ewige Malerei, wahrend ich hier in der "Zivilisation" nur SCHLECHTE Malerei machen möchte, sie schockieren und verletzen möchte, ich will sie hier nicht trösten etc etc, aber es verletzt IMMER auch MEINEN Geist, schlecht zu malen, und deshalb vermisse ich Ponza und die Ewigkeit.'
Felix Valk, mittlerweile Direktor des Museums voor Land- en Volkenkunde in Rotterdam nimmt das rekonstruierte Tomb aus der Westkunst in eine Wanderausstellung mit dem Titel Kruiden van Hemel en Hel (Kräuter aus dem Himmel und der Hölle) auf. Franz Deckwitz installiert die Arbeit. Thek schreibt ihm: 'Ich möchte außerdem, daß Du Felix sagst, daß er das Grab für jede Ausstellung nehmen kann, für die er es haben will... ABER... ich bestehe darauf, daß entweder auf dem Grab oder im Katalog steht,... daß es NICHTS mit seiner "Drogen"-Thematik zu tun hat. Es ist keine psychedelische Arbeit. Es ist ein Kommentar zur Gesellschaft.'
Nach dieser Ausstellung wird die Figur aus The Tomb nach New York gebracht. Als Thek feststellt,


 

daß die Figur während der Einlagerung und Transporte über die Jahre beschädigt worden ist, verweigert er die Annahme. Nachdem der Transportunternehmer die Arbeit einige Zeit eingelagert hat, ohne dafür bezahlt zu werden, zerstört er sie schließlich.
 
1982 Im März zeigt Thek seine 'small paintings', diesmal unter dem Titel Little Paintings in der Galerie Samy Kinge in Paris. Gesundheitliche Probleme halten ihn davon ab, bei der Eröffnung anwesend zu sein.
Thek nimmt an der von Michael Klein im Contemporary Arts Center in Cincinnati organisierten Gruppenausstellung Tableaux. Nine Contemporary Sculptors teil. Er und Franz Deckwitz bauen Diameter of a Titan Missile, a Clock and Blue Bunnies (Durchmesser einer Titan-Rakete, eine Uhr und blaue Häschen).

1983 Thek schreibt an Charles Shuts: 'Wie Du vielleicht weißt, hat in NYC die Seuche ziemlich um sich gegriffen, "aids"... Die schwule Szene hier hat sich erheblich verändert gegenüber der, an die Du Dich vielleicht erinnerst, viele sind daran gestorben, und im Sexualverhalten hat es enorme Veränderungen gegeben... auch eine sehr viel stärker gewordene gesellschaftliche Ablehnung wegen der Angst, es könnte auf die Hetero-Bevölkerung übergreifen.' Später schreibt er an Shuts: 'Es ist besser als Die Pest! Wir gehen! Es ist besser, als allein aus den eigenen blöden kleinen Gründen zu sterben! Auf diese Art gehen wir mit einem richtigen KNALL! Thek malt den Blick aus seiner New Yorker Wohnung und schreibt an Franz Deckwitz: 'Um mich also zu beschäftigen, mit dem Extra an Energie, das ich für die Stadtbilder einfach nicht aufbringen kann, male ich andere Seelenbilder, die mir erlauben, frei und fröhlich zu sein, nicht immer nur das zu kopieren, was meine Augen sehen. Ich versuche also Aquarelle auf dem Dach. Einige sind noch frisch, aber meistens sind sie voll von Überarbeitungen und Bearbeitungen, aber so mag ich es, vollgestopfte kleine Momente der Malerei, wenn nur die Rhythmen des Bildes genauso gut zu malen wären. Ich meine nicht wie Mondrians Boogie Woogie, sondern mehr so wie Money [sic] ALLES malte, was in JEDEM Thema, das er malte, drinsteckte, obwohl er immer eine Menge (von dem wir wußten) ausließ.'
Michael Klein stellt Thek dem Pittsburgh Plan for the Arts vor, und er wird in die Ausstellung Urban Impulses: The Artist and the City aufgenommen. Bei der Weiterarbeit an dem Cincinnati-Environment entstehen Missiles and Bunnies (Raketen und Häschen). Thek baut ein ähnliches Environment für die von Howard Fox betreute Ausstellung Content: A Contemporary Focus 1974-1984 im Hirshhorn Museum and Sculptur Garden in Washington D.C. 1984. Er schreibt an Franz Deckwitz: 'Ich war wie üblich sehr sehr deprimiert, und bei meinem vielen und endlosen Nachdenken über meine "Depression" kam ich schließlich zu der Erkenntnis, daß meine Depression vielleicht wirklich nur daher kommt, daß ich hier in dieser häßlichen häßlichen Stadt bin und mit Leuten zusammen (ob ich will oder nicht), die KEINE VORSTELLUNG von meinem europäischen Ich haben, und ich fühle mich mittlerweile genauso stark meinem europäischen Ich verbunden wie ich mich als "Amerikaner" gefühlt habe. Ich vermisse mein europäisches Leben und meine Freunde da, wie schön war es, da zusammen zu arbeiten!'

1984 Thek überlegt, ins Kloster zu gehen, Er schreibt einen Brief an das Kartäuserkloster, The Charterhouse of Transfiguration in Arlington, Vermont: 'Ich bin ein staatlich erzogener Katholik, mein tatsächliches Wissen über die Kirche ist nicht sehr groß, von Liturgie und Riten weiß ich sehr wenig. Ich bin zu viel und, zu lange gereist, um in irgendeiner Gemeinschaft aufgegangen zu sein. Ich bin erst ziemlich spät in meinem Leben zu einer Art Wiedererweckung gekommen und fühle mich seitdem wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich habe nur wenig oder gar kein "Gebetsleben" als solches, obwohl ich mich Bruder Lawrence als der ständigen Präsenz, von der er spricht, sehr nahe fühle... Ich habe bereits mehr Zeit wirklich allein verbracht, als jeder von Ihnen, und ich habe keine anteilnehmende Gemeinschaft, zu der ich zurückkehren könnte, wenn mein Alleinsein zu groß wird... Vielleicht könnte ich meine kreative Arbeit dort fortsetzen? Ich weiß es nicht. Die Fotos der Zimmer zeigen eine ganze Menge fantastischer Landschaft vor den Fenstern und wahrscheinlich auch ein ziemlich fantastisches Wetter... Ich würde Ihr Kloster zumindest gerne einmal besuchen.'
Richard Flood organisiert eine Ausstellung mit Theks Bildern in der Galerie Barbara Gladstone in New York.
Im Dezember stirbt Theks Mutter. Im folgenden Februar schreibt er an seinen Freund Jon Phetteplace: 'Im Moment, in diesem langen Moment scheine ich eine Midlife-crisis durchzumachen, oder ist es Mutters Tod? Ich bin zur Zeit wirklich nicht gut drin in "meiner Kunst", obwohl ich damit weitermache. Sie scheint mir so weit vom Leben weg zu sein, so wenig mit dem Tagtäglichen zu tun zu haben, so wenig Hilfe für die anderen zu sein. Gestern habe ich allerdings ein kleines Bild gemalt, "Afflict the Comfortable, Comfort the Afflicted" (Setz dem Bequemen zu, tröste den Geplagten). Das schien es zu sagen. Ganz allgemein bin ich sicher, daß die meiste Kunst (nicht nur die moderne, sondern ALLE Kunst) haufig nicht die Normen anspricht, nach denen wir leben.'

1985 Thek wird ausgewählt, die Vereinigten Staaten auf der Biennale São Paulo zu vertreten. Zusammen mit Straßenkindern baut er das Environment Noah's Raft (Noahs Floß). In Januar 1986 schreibt er an Charles Shuts: 'Ich bin gerade zurück aus Brasilien, wo ich eine meiner Sachen gemacht habe. Und Brasilien war schlimm! Um sicher zu sein, verarmte Menschen, ungleich verteilter Wohlstand, ganz ganz schlimme Umweltverschmutzung, Polizeistaat... Aber ich hatte eine gute Zeit, habe eine gute Sache gemacht (habe 5 von den dortigen obdachlosen Kindern engagiert, um auf meinem Noah's Raft ad hoc eine Percussion-Samba,zu spielen, umgeben von Raketen, die ganz echt aussahen und aus dem Sandmeer um sie herum auftauchten), es lief großartig. Und die Kids haben ein paar Dollar gekriegt... Ich bin froh froh, daß Du ein paar von Deinen Bildern verkaufst, etc., das ist mehr, als ich schaffe, meistens muß ich schnell in diese fürchterlichen Länder (Brasilien, Belgien etc.) fahren, um meine Sachen (immer und immer wieder) für die Leute dort zu machen. Hier in NY sind meine Sachen immer noch zu politisch und zu "real", um ein Broadway-Hit zu sein. Aber es war ein wirklicher Schock, vom US State Department herausgepickt zu werden, um uns in Brasilien zu vertreten!... Ich bin froh, daß der Männersex da [in Europa] immer noch weitergeht, wir wollen hoffen, daß die Seuche nicht kommt. 10 von meinen Freunden sind bereits daran gestorben. Hier, das kann ich Dir versichern, ist es KEIN WITZ... Ich selbst bin "A-positiv"..., ein Zeichen dafür, daß ich es entweder hatte (und damit fertiggeworden bin) oder daß es latent ist und ich "es" früher oder später... kriege. Klopf auf Holz. Leben ist das, was passiert, während man andere Pläne macht.'