Franz Ackermann

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Franz Ackermann: ohne Titel (Mental Map: Suncity II), 1997

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Gregor Jansen

Franz Ackermann – Urbane Visionen


Die Landschaft hat sich gewandelt. Unsere Wälder, Felder, Wiesen und Weiden, die Berge und Seen, die Küsten und vor allem die Städte, die riesigen Industrieflächen und die Ansammlung heterogener, auf engem Raum bunt zusammengewürfelter Bautypen des Mittelstandes, haben innerhalb der letzten zwanzig Jahre eine neue Betrachtung des gesamten kontinentalen mithin globalen Territoriums ergeben. Was uns auf den täglichen Fahrten mit der Bahn oder dem Auto meist als quantitative Erfahrung begegnet, ist im Falle der Letzteren Raumumwälzungen eine qualitative. Dieses ästhetische Chaos entstand in wenigen Jahren vor unseren und unter den bisweilen apathischen Augen der Politik und verbindet zum Bespiel die Städte im Ruhrgebiet. Regelmäßig entfliehen wird diesem lokalen Territorium in den globalen Strömen des Tourismus, die den Raum zu den sich weniger, oder langsamer verwandelten Landschaften erweitern. Unsere Sehnsucht erstreckt sich vorwiegend auf ferne Räume und ihre Indikatoren, die subjektiven Erwartungshaltungen folgen oder entsprechen, in den jeweiligen Territorien meist aber dieselben Ermüdungserscheinungen zeitigen, wie wir sie in der mehrschichtigen Vermengung von zu Hause kennen. Die bewohnten Territorien kultivierter Architektur werden vor allem in Europa deterritorialisiert und in eine merkwürdige Einschichtigkeit verwandelt, gleichsam – und nicht nur hier – auf eine Oberfläche reduziert.

Franz Ackermann ist daran interessiert, wie sich dieses gestörte Verhältnis von Raum und Gesellschaft in seiner Überbrückung methodisch fassen lässt. Hierbei ist er weitaus mehr als „nur“ ein Maler. Er ist forschender Kosmopolit, der als Spurensucher, Kartenleser, Sammler, Dechiffrierer und Konstrukteur heterogene Formulierungen sammelt, die er als reisender Beobachter, quasi wie ein bodennaher Satellit, ständig verstehen lernt, indem er seine Welt additiv in Formen und Farben sieht. Seine Heimat treu vor Augen und seine regionale Beziehung klar im Gedächtnis, erobert er sich und uns Blickwinkel, die von Satellitenbildern oder aus Landkarten nie gewonnen werden könnten. Ackermann sucht neue logische Entsprechungen zwischen den Dingen des Raums, den Worten, mit denen wir diese benennen, und den mentalen Bildern, die wir von ihnen projizieren.

Franz Ackermann fertigt seit Anfang der 1990er Jahre auf zahlreichen Reisen kleinformatige Zeichnungen, Mental Maps, mit denen er, vergleichbar einer Art Reisetagebuch, die beobachteten Phänomene konstruiert und zugleich dekonstruiert. Später schichtete er, sesshaft im Atelier, als Evasionen großformatige Ölgemälde organisch und räumlich illusionistisch auf einer Ebene und 1997 entstand mit der in der Sammlung der Landebank Baden-Württemberg befindlichen Evasion XV seine erste große Wandmalerei für Nordhorn. Im Jahre 1998 begann er mit der Ausformung ganzer Räume, oder besser Raummodule. So werden suggestive Bildsequenzen als endlose, der filmischen Narration angelehnte Designstudien geschaffen, vielfach ergänzt durch Fotografien, letztlich als beinahe surreale Montage mit einem bestimmten Blick auf das Politische. In einer organischen Formensprache stellt Ackermann Schichtungen einer Gedankenarchitektur zur Diskussion, die im Raum als Membran das Wechselverhältnis von Raum und Architektur zum Tourismus und zur Politik mittels der verschränkenden Oberfläche der Malerei analysiert. [...]


Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map), 1994

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map), 1994

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map), 1994

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map: Midlevel), 1995

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map: Center II), 1995

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map: High above Bad Reichenhall), 1995

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map: Waterworld), 1995

Mischtechnik auf Papier
13 x 19 cm

Franz Ackermann
untitled (evasion XV), 1997

Dispersionsfarbe und Acryl auf Wandfarbe
350 x 1020 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map: Suncity II), 1997

Mischtechnik auf Papier
41,5 x 49,5 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Epicenter), 1997

Öl auf Leinwand
55 x 77 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Epicenter), 1997

Öl auf Leinwand
55 x 77 cm

Franz Ackermann
ohne Titel (Epizentrum Halle 20), 1999

Holz, Acryl, Fotografien und Postkarten
250 x 204 x 80 cm

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Franz Ackermann
ohne Titel (Mental Map: Suncity II)
1997
Mischtechnik auf Papier
41,5 x 49,5 cm
© Franz Ackermann
Foto: Archiv Sammlung Landesbank Baden-Württemberg


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