Corinne Wasmuht

wasmuth

Corinne Wasmuht: Saturn, 2001

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Andreas Beitin

Corinne Wasmuht. (Un)Orte des Realen


Corinne Wasmuht meint, die Betrachter ihrer Bilder fühlten sich zunächst oft von der Überfülle an visuellen Informationen überfordert. Jedoch trügt der Schein, denn mit der Zeit stellt sich eher der gegenteilige Eindruck ein, der von Ruhe und Stille, da ihre Bilder nicht von einer chaotischen Überfüllung geprägt sind, sondern vielmehr von einer organisierten Bildstruktur. Die Ressourcen von Wasmuhts großformatigen Gemälden, die alle in Öl auf Holz gemalt sind, liegen in einem umfangreichen Bildarchiv begründet: Seit 1986 sammelt die Malerin Bilder aus Zeitschriften, Illustrierten und Magazinen. Angefangen hat sie dabei mit Abbildungen von Baumkronen, die sie durch solche von Wasser und Ozeanen, Sand und Wüsten ergänzte, um schließlich alle diese Bilder nach inhaltlichen und formalen Kategorien zu sortieren und dienstbar in Ordnern abzulegen. So entwickelten sich immer neu verzweigende Themen und Unterthemen, sodass mit den Jahren ein umfangreiches Netzwerk unterschiedlichster Topoi entstanden ist, aus denen Corinne Wasmuht die Vorlagen zu ihren Bildsujets rekrutiert, miteinander collagiert, auf Leinwand überträgt und sich so von Bild zu Bild zoomt: „Ich bin sehr kritisch mit meinen Bildern. Sonst würde ich mich ja nicht weiterentwickeln.“[1] Die in Peru und Buenos Aires aufgewachsene Künstlerin eignet sich auf diese Weise die Welt an und versucht, ihr zumindest in Teilen durch ihr persönliches Ordnungssystem visuell habhaft zu werden. Waren es zunächst über einen Zeitraum von annähernd zwanzig Jahren Bilder aus den Printmedien, die von Wasmuht ausgeschnitten, geordnet und archiviert wurden – mittlerweile wurde ihr Archiv von den Kunstvereinen in Hamburg und Aachen ausgestellt – so sind es seit Beginn dieses Jahrzehnts zunehmend Bilder aus der viel beschworenen Flut des Internets, die zusätzlich zum Abspeichern auf der Festplatte ausgedruckt und archiviert werden. Diese multiplen Bilder, die aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst wurden, werden durch ihr collageartiges Arrangieren ebenso in einen neuen Sinnzusammenhang verfrachtet, wodurch sie eine ungewohnte, irritierende und zuweilen verstörende Valenz erhalten. Nicht zuletzt durch diese Technik erweist sich die Malerei Corinne Wasmuhts „als zeitgemäße Form des Umgangs mit dem technischen, medialen Overkill.“[2] Die Malerin zerstört Bildwelten und baut zugleich neue Bildkosmen auf; sie zerschneidet und zerstückelt Bildsysteme, um neue entstehen zu lassen. Der Kulturtheoretiker Boris Groys stellt fest, dass „die meisten Bilder der Moderne mit Mitteln des Ikonoklasmus produziert worden sind“; sie seien – „symbolisch oder real – zersägt, zerschnitten, fragmentiert, durchbohrt, durchstochen“ worden.[3] Corinne Wasmuht hat diese künstlerische Arbeitsweise lange hinter sich gelassen, denn sie generiert aus der Destruktion der Vorlagen Neues, sie heilt quasi mit ihrer Malerei die vorherige Zerstörung. Waren ihre Bilder in den 1980er- und 1990er-Jahren durch ihren nahezu zweidimensionalen Bildaufbau noch in der Fläche verhaftet, so eröffnet sie in ihren jüngeren Werken Raumtiefen, deren illusionistische Konstruktionen von einer atemberaubenden Dynamik und Energie gekennzeichnet sind, sodass man geradezu von einer immersiven Malerei sprechen möchte. Der Bestand der Bilder von Corinne Wasmuht in der Sammlung der Landesbank Baden-Württemberg verdeutlicht auf anschauliche Weise die Entwicklung dieser im besten Sinne eigenwilligen Malerin. [...]

[1] Corinne Wasmuht im Gespräch mit dem Autor am 19.01.2009.
[2] Carmela Thiele, „Corinne Wasmuht. Aus Sand ein Seil flechten”, in: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Heft Nr. 7, Ausgabe 85, ZEIT Kunstverlag, München, 2009.
[3] Boris Groys, „Der Kurator als Ikonoklast”, in: Peter Weibel (Hg.), Boris Groys. Die Kunst des Denkens, Philo Fine Arts, Hamburg, 2008, S. 96.



Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009


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Werke in der Ausstellung


Corinne Wasmuht
Haare I, 1992

Öl auf Holz
280 x 167 cm

Corinne Wasmuht
Haare II, 1992

Öl auf Holz
280 x 167 cm

Corinne Wasmuht
Haare III, 1992

Öl auf Holz
280 x 167 cm

Corinne Wasmuht
Raum 5, 1998

Öl auf Holz
123 x 147 cm

Corinne Wasmuht
Saturn, 2001

Öl auf Holz
247 x 313 cm

Corinne Wasmuht
Huari, 2003

Öl auf Holz
279 x 286 cm

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Corinne Wasmuht
Saturn
2001
Öl auf Holz
247 x 313 cm
© Corinne Wasmuht
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf


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