Albert Oehlen |
![]() Yvonne Zieger Albert Oehlen: Eine Malerei gegen die bürgerlichen SaubermännerAlbert Oehlen gehört zu jenen Künstlern, die ihre Umwelt mit wachem, gesellschaftskritischem Blick mustern und das Wahrgenommene unverblümt widerspiegeln. Insbesondere in den 1980er-Jahren schleuderte er den Dreck kunstinterner Klischees, verkrusteter Vorstellungen, bürgerlichen Miefs und nicht verarbeiteter deutscher Geschichte förmlich auf die Leinwand. Aber auch in Bezug zur Rezeption des Künstleregos selbstkritisch Stellung beziehende Selbstbildnisse finden sich immer wieder. Selbstportrait beim Töpfern (1986) zeigt den Künstler in einem vereinfachten, perspektivisch verzerrten Raum. Oehlen hat sich hier als Kunsthandwerker beim Töpfern auf einer Bank sitzend porträtiert. Dies wird insbesondere durch den fixierenden Blick des linken Auges betont, das nicht nur heller und dem Betrachter zugewandter ist als das rechte, sondern farblich mit dem blauen Hemd korrespondiert und so eine zusätzliche starke Leuchtkraft und Eindringlichkeit erhält. Die Umgebung ist karg wie Oehlens gemalte Räume zumeist: ein Zimmer mit Holzpaneelen, das an einen Gitterkäfig erinnert – ein Ort, an dem der Künstler und sein Tun ausgestellt werden. Sämtliche Raumlinien sowie die Bank sind auf die Bildmitte ausgerichtet, in dessen Zentrum sich die Figur des Künstlers befindet. Die kreative Arbeit wird als handwerklicher Akt dargestellt, genauso, wie ihn das Publikum gerne sieht. Zwei Jahre zuvor, in Selbstportrait mit verschissener Unterhose und blauer Mauritius (1984), bricht er erstmals radikal mit der Vorstellung vom romantischen Künstlergenie und dessen bürgerlich-kompensatorischer Funktion. Waren Oehlens Werke der 1980er-Jahre von einer „Verunreinigung“ der Malerei – ihrer Malmittel, Malweisen und Motive – geprägt, so spiegeln seine neueren, abstrakten Arbeiten die digitalen Verwinkelungen und Undurchschaubarkeiten des heutigen Alltags wider. Denn seit Beginn der 1990er-Jahre überlagert er konkrete, gemalte oder digital gedruckte Bildinhalte mit Linien, groben Pinselzügen, Klecksen und Farbschlieren bis keine Gegenständlichkeit mehr erkennbar ist. Oehlen nennt dies „postungegenständliche“ Kunst. Nimmt man sein Œuvre von den jüngsten Werken her ins Visier, so kristallisiert sich neben der Gesellschaftskritik und dem antikünstlerischen Impetus ein weiteres Charakteristikum heraus: die besondere Behandlung des Bildraums. Im Jahre 1982 entstand das großformatige Gemälde Flur. Auf einem abstrakten Bildgrund aus groben grauen, weißen und roten Pinselstrichen deuten schwarze Umrisslinien die Bodenplatten eines Flurs an, an dessen Ende eine geöffnete Tür in einen anderen Raum führt. Zur rechten Hand wird der Durchgangsraum von einer Art Nische oder Durchblick begrenzt, die zusammen mit der Decke und der Tür eine perspektivische Verjüngung des Raums nach hinten schafft. Über dem abstraktem Bildgrund und dem perspektivisch angelegtem Flur – wobei bereits die Bodenplatten aus der Gesamtanlage ausbrechen – befindet sich in der vordersten Bildebene eine weitere Linienstruktur, die mit den gegebenen Strichen nicht korrespondiert. Weiße Linien verbinden die Umrisse von quadratischen Spiegeln, die auf die Leinwand geklebt und teilweise übermalt sind. Flur gehört zu einer Serie von Werken mit Spiegeln, die in den Jahren 1982 und 1983 entstanden sind. [...] Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg" Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009 ^
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