-> Werke in der Ausstellung

Gregor Jansen
Ina Weber – Die Welt ohne Eigenschaften
Neu-Altbauten. Bestimmte Orte haben einen bestimmten Klang, erfüllen einen mit Musik, die subjektiv ist, hingegen der objektive Charakter gewisser Orte mit Gefühlen und Lebensentwürfen zusammenhängt, deren Unpersönlichkeit kaum zu überbieten ist. Architekturen der 1950er- und 1960er-Jahre vieler Städte sind davon geprägt, vor allem der so genannte soziale Wohnungsbau oder die Einkaufsmeilen, wo wenig Platz ist für Gefühle und individuelles Glück. Fassadentristesse! Öffentliche Möblierung für die Mittelschicht: zweckmäßig, seriell, unförmig, langweilig, austauschbar. Unsere armen Eltern, die mit solchen absurden Träumen von neuer Modernität und Lebensqualität nach dem Krieg aufwuchsen! Wo ist da Platz für Melancholie, private Sedimente, aufgeweichte Steine wie alte Brötchen in warmer Milch, denen lustvoller Zigarettenrauch Gesellschaft leistet? Eine Generation aber stand zwischen Traum und Erfüllung: Unsere, die in den 1960er-Jahren Geborenen, hatte den Zeitgeist der lieben Wehmut gepachtet, lebte das Leben wie es kam, nutzte die Städte als Spielwiese geplatzter Träume. Einstürzende Neubauten gaben den Takt an. Das waren schöne Jahre, unruhig, ausschweifend, chaotisch, pur, ... und letztlich vergangen. Doch ihre Stimmung bleibt. „Ist die moderne Stadt wie der moderne Flughafen – überall gleich?“, fragte Rem Koolhaas 1995, siebzehn Jahre, nachdem Brian Eno die dazu passende Musik komponierte und damit Ambient begründete.[1] Dreizehn Jahre später, 2008, verwendete Ina Weber den Titel L-M-S-XS für ihre Ausstellung im Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe in Anlehnung an das Buch von Rem Koolhaas S, M, L, XL.
Beton brut. Als Spiegel dieses Lebensgefühls und des damals bis heute gültigen Zeitgeistes scheint die Gestaltung des Lebensraums in Ina Webers Skulpturen und Aquarellen passend zum mobilen, bindungslosen Stadtbewohner entworfen zu sein. Ihre Skulpturen bestehen meist aus dem Material, aus dem bestimmte Träume sicher nicht sind. Zugleich definiert es Orte, Plätze und Situationen, die eine Atmosphäre verbreiten, die man aus der künstlerischen Distanz gerne hat. Beton war und ist die Zauberformel der Städte, der Agglomeration urbanen Lebens und sozialer Differenzen. Das schnell härtende Gemenge aus Zement, Wasser und Sand verführte so manchen Ingenieur zu halsbrecherischen Konstruktionen. Kommt Stahl hinzu, wird daraus schnell eine Utopie – wenn man sie zu formen weiß. Bauhaus sei Dank!
Minigolf. Ina Weber lebte unter anderem wegen der Musik lange Zeit in Brighton, einem Ort, dessen Charme an den eines alten Mantels oder den einer leer stehenden Tankstelle erinnert. Ein Ort am Meer, direkt am Strand, mit Kieseln und Salzwasser – das ist Leere und dennoch auch Stadt. Oder mit einer Bushaltestelle vergleichbar: ein Ort zwischen zwei Orten mit den für ihn typischen Elementen Unterstand, Sitzgelegenheit, Haltestellenschild und Abfalleimer. Die Leere an derartigen Orten ist schön, ein Modell mit harmonischen Verweisen auf die Menschen, die hier tagtäglich kurz zur Ruhe kommen, nur um sich an einen anderen Ort zu begeben. Wie beim Minigolf. Das ist zwar genauso dumm wie in Brighton den Pier oder an einer Bushaltestelle den Abfalleimer zu betrachten, macht aber mehr Spaß. Immer schon hat einen der Familien- und Volkssportcharakter von Minigolf irritiert und zugleich belustigt – meistens drängen Kinder ihre Eltern auf die Bahnen, die dann von Pensionären mit ernsthaften Ambitionen bevölkert sind –, vor allem wegen des kleinteiligen, beinahe spießigen Charakters der Anlagen und des obligatorischen Kiosks. [...]
[1] Rem Koolhaas, „The Generic City”, in: Ders. u. a. (Hg.), Small, medium, large, extra-large [S, M, L, XL], Taschen, Köln 1997 (engl. 010 Publishers, Rotterdam, 1995), S. 1248; Brian Eno, Ambient 1: Music for Airports, Polydor 1978, die LP wurde in London und Köln produziert.
Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg" Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009
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Werke in der Ausstellung
Ina Weber M-Restaurant, St. Gallen (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Operettenhaus, Reeperbahn, Hamburg (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Anthroposophisches Zentrum, Kassel (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Haiducken-Grill, Baile Herculane (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Toilettengebäude, Aire de Biarritz, A63 (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Kaufhaus Kotva, Prag (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber The Brighton Centre, Brighton (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Spar-Markt, Essen (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Postamt Regensburg (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Kingdom Hall of Jehova's Witnesses (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Wohnblock, Vernouillet (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Polizeibehörde, Kassel (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Nordsee Schnellrestaurant, Essen (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Rex-Kino, St. Gallen (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Neueröffnung Quelle-Agentur, ehemalige Stadtbibliothek (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Kommerzhotel und Busbahnhof, Köln (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Eingangshalle Rathaus, Essen (aus dem Egoland-Zyklus), 1994 Aquarell und Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber ohne Titel (Tonstudio: aus der Serie „Analog“), 1995 Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber ohne Titel (Tonstudio: aus der Serie „Analog“), 1995 Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber ohne Titel (Tonstudio: aus der Serie „Analog“), 1995 Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber ohne Titel (Tonstudio: aus der Serie „Analog“), 1995 Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber ohne Titel (Tonstudio: aus der Serie „Analog“), 1995 Mischtechnik auf Papier 29,7 x 21 cm
Ina Weber Albanische Disco, 1997 Beton, Keramik und Glas 45 x 22 x 38 cm
Ina Weber Bingo Hall, 1997 Beton, Keramik und Glas 26 x 33 x 31 cm
Ina Weber Casino, 1997 Beton, Keramik und Glas 31 x 14 x 19 cm
Ina Weber Bushaltestelle, 1997 Beton 25 x 22 x 17 cm
Ina Weber Thermal-Bad, 1997 Beton, Keramik und Glas 44 x 18 x 34 cm
Ina Weber Fußballtribüne, 1997 Beton 32 x 30 x 23 cm
Ina Weber ohne Titel (Shopping Mall), 2002 Beton und Spiegelglas 45 x 82 x 193 cm
Ina Weber ohne Titel (Drive In), 2002 Beton, Keramik und Spiegelglas 34 x 76 x 210 cm
Ina Weber ohne Titel (Bungalow), 2002 Beton und Glas 36 x 77 x 193 cm
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