Thomas Locher |
-> Werke in der Ausstellung ![]() Thomas Wulffen Thomas Locher – Im Gehäuse der SpracheEs ist eine Art Haus oder ein Zimmer in einem Haus. Es gibt Eingänge und Durchgänge ebenso wie eine Art Fenster. Die Struktur der Skulptur, wenn wir sie als solche begreifen wollen, ist leicht zu entschlüsseln. Die Wandteile sind mit unterschiedlichen langen Textstellen beschriftet. Deren Struktur entschlüsselt sich jedoch erst bei längerem Lesen. Der Titel des Werks lautet Der Satzbauplan (1992) und ist auf spezifische Weise zweideutig, bezieht er sich doch ebenso auf die Sätze, die der Betrachter lesen kann, wie auf die gebaute Struktur, den Bauplan. Diese ist sozusagen ein dreidimensionales Abbild eines Bauplans und zugleich eine Art Abbild der Sprache. Die Abbildung von Sprache und deren Ordnungsstrukturen bergen die Gefahr, in einer selbstreferenziellen Schleife stecken zu bleiben. Darüber hinaus ist die Sprache von anderer Seite gefährdet. Ihre Gefährdung beschreibt Thomas Locher in seinem Text für den Katalog zur Ausstellung Prospect 89: „‚Sprache‘ ist heute Ziel und Objekt der verschiedensten Untersuchungen in den verschiedensten Wissenschaften. Dies Interesse ist das Ende ihrer Unmittelbarkeit. Was in ihrem Namen geschieht, die Art und Weise ihrer Profanierung, wie man von ihr Besitz ergriffen hat, ist Anzeichen einer Gefahr: die ihres Verschwindens.“[1] Das Werk von Thomas Locher bedeutet immer einerseits Kritik und andererseits Rettung der Phänomene. Dabei greift er bewusst auf Traditionslinien der Philosophie und der zeitgenössischen Kunst zurück. Peter Weibel bezieht das Werk von Thomas Locher ebenso auf die Minimal Art wie auf die analytische Sprachphilosophie eines Ludwig Wittgenstein.[2] In einem direkten Verständnis lässt sich die Kunst Thomas Lochers auch als Konzeptkunst im eigentlichen Sinne verstehen. Diese arbeitet mit Begriffen über Begriffe. Ein Werk wie Die Grammatik (1990) arbeitet mit Begriffen aus der Lehre der Grammatik und führt zugleich deren Ordnungsstruktur innerhalb des Bildes vor. Eine Identität zwischen dem Begriff selbst und dem Bild des Begriffs gibt es jedoch nicht, obwohl wir beim Anblick dieser Arbeit etwas Derartiges vermuten wollen. Was bei der Wahrnehmung der Diskrepanz eintritt, ist eine Art Ent-Täuschung, die Entdeckung einer Täuschung. Auf Grundlage dieser Täuschung entstehen Arbeiten, die scheinbar ohne Begriffe auskommen, obwohl sie die Arbeit am Begriff vorführen. Auf dem einen Bild sind Blumensträuße zu sehen, auf dem anderen verschiedene Farbfelder. Ihr verbindendes Element ist die Zahl. Die Objekte werden gezählt, jedoch auf eine Art und Weise, die unverständlich wirkt, weil in der Aufzählung keine nachvollziehbare Ordnung entsteht. Tatsächlich geht es bei den Arbeiten aus diesem Werkkomplex um eine Art der Vorführung, der Wahrnehmung und der Einordnung. Zahlen sind ein Medium der Einordnung wie Wörter. Mit ihnen nehmen wir die Welt wahr. Noch deutlicher wurde dieser Zugang in den sogenannten „Lexikonbildern“. Hier wird ein beliebiger Gegenstand in seine Bestandteile zerlegt und nummeriert. Dabei vollzieht sich eine doppelte Abstraktion. Zum einen wird der Gegenstand im Bild abgebildet. Wir nehmen die Abbildung als Gegenstand wahr, weil wir uns den Unterschied zwischen Bild und Gegenstand nicht mehr bewusst machen. Mit den Zahlen vollzieht sich ein weiterer Schritt, der eine bloße Einordnung ohne Benennung bedeutet. [...] [1] Martina Detterer, Prospect ’89. Eine internationale Ausstellung aktueller Kunst, Ausst.-Kat. Frankfurter Kunstverein und Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, 1989, S. 136. [2] Kölnischer Kunstverein (Hg.), Wer sagt was und warum. Vier imaginäre Räume. Thomas Locher, Ausst.-Kat., Köln, 1992. Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg" Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009 ^
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