Günther Förg

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Günther Förg: Roter Akt, 1982

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Thomas Groetz

Lakonische Aneignungen und neblige Abgründe.

Zur Kunst von Günther Förg


Der Erfolg und die Bedeutung von Günther Förg hängen eng mit der Zeitsituation zusammen, in der er seine wichtigen Beiträge machte, insbesondere im Bereich der Malerei und der Rauminstallation. Diese Zeitsituation, die mit dem heute zunehmend in Vergessenheit geratenen Begriff der Postmoderne verbunden war, meint einen auch für unsere Gegenwart nicht abzuschätzenden historischen Bruch. Der Bruch zeigte sich in der bildenden Kunst am augenfälligsten in Hinsicht auf die Kategorie der Form und einem mit ihr wenn nicht immer eindeutigen, so doch hinlänglich verknüpften Gehalt. Im Laufe der 1970er-Jahre wurden die bisherige Einheit, die Bezogenheit von Inhalt und Form, und die Annahme einer „Bedeutung“ von Gestaltungselementen akut infrage gestellt. Die Folgen dieses Bruchs sind bis heute mehr als relevant, wenngleich sie unter dem Mantel eines erneuten Heraufdämmerns der künstlerischen Ismen und Sprachen des 20. Jahrhunderts kaum noch auszumachen sind.

Günther Förgs historisch eindeutig herleitbare Formensprachen, vor allem die der Abstraktion, konnten aufgrund des beschriebenen historischen Bruchs plötzlich als neu oder anders wahrgenommen werden. Es schien, als ob Förg auf eine verblüffende und treffsichere Weise die geometrische Abstraktion noch einmal erschaffen hätte.

Nach dem Tod seines Künstlerkollegen Blinky Palermo führte Förg ab 1977 dessen europäische Rezeption der amerikanischen Minimal Art inklusive einem Nachhall auf die konstruktivistische Avantgarde in der Sowjetunion der 1920er-Jahre weiter. Der monolithischen Strenge und weihevollen Totalität der Schöpfungen der Amerikaner begegneten Palermo beziehungsweise Förg mit einer leichten, lakonischen und nonchalanten Haltung. Beabsichtigte kleine Ungenauigkeiten und Flüchtigkeiten in der Ausführung ergaben eine neue Art von Spannung und sogar spielerischen Humor in den auf Offensichtlichkeit und größtmögliche Klarheit angelegten Werkkomplexen. Förg knüpfte an Palermos ästhetische Grundhaltung an und übernahm einige seiner verwendeten Techniken und Materialien, darunter die Konzepte der Rauminstallationen, die mit farbigen Stoffen bezogenen Bildträger sowie die meist hochformatigen Malereien auf Metallgrund (Aluminium), welche zu Gruppen und Serien arrangiert waren.

Die verschiedenen künstlerischen Verfahren der Aneignung, aus denen wie bei Förg manchmal ein eigenes, kraftvoll ausstrahlendes Œuvre entsprang, wurden in der Kunst seit den 1980er-Jahren selbstverständlich. Förgs künstlerischer Stellenwert liegt nicht zuletzt darin, ein grundlegendes Exempel dieser Aneignungs- und Umwertungspraktiken vorgeführt zu haben.

Günther Förg hatte sein kreatives Coming-out in einem Zeitklima, das man als düster und hoffnungslos, wenn nicht gar als nihilistisch charakterisieren kann. Zwischen 1973, Förgs erstem Studienjahr an der Münchener Akademie der Bildenden Künste, und 1976 malte er fast nur schwarze monochrome Leinwandbilder in Acryl, denen er mit einem zusätzlichen lasierenden Grau eine milchige, verschleierte Oberflächenwirkung verlieh. Für den Künstler besitzen diese nur auf sich selbst verweisenden Bilder mit ihrer stumpfen Aufsicht den Charakter von Schultafeln. Während jemand wie Joseph Beuys Schultafeln verwendete, um die inhaltlichen Grundlagen seiner Kunst deutlich zu machen, hat Förg metaphorisch den Moment festgehalten, nachdem eine auf der Tafel angebrachte Schrift ausgewischt worden ist. Somit entstand eine Tabula-rasa- oder Nullpunktsituation. [...]


Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung

Günther Förg
Roter Akt, 1982

Farbfotografie und Acryl auf Aluminium
100 x 360 cm

Günther Förg
ohne Titel, 1991

Acryl auf Holz
210 x 180 cm

Günther Förg
ohne Titel, 1991

Acryl auf Holz
210 x 180 cm

Günther Förg
ohne Titel, 1992

Acryl auf Blei auf Holz
150 x 110 cm

Günther Förg
Großer Torso, 1993

Bronze
108 x 46 x 46 cm

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Günther Förg
Roter Akt
1982
Farbfotografie und Acryl auf Aluminium
100 x 360 cm
© Günther Förg
Foto: Wolfgang Günzel, Offenbach a.M.

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