Christian Jankowski

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Christian Jankowski: Puppet Conference, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, 2003

-> weitere Werke in der Ausstellung

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Annika Plank

Von Menschen und Muppets. Die subversive Kunstpraxis des Christian Jankowski


„Aber Herr Jankowski spielt sich auf als Hohepriester der Medien-Hysterie und der grenzenlosen Kommunikation […]. Fernsehen und Video sind seine Propagandawaffen, die Montage ist sein Credo.“[1]
Massimiliano Gioni

Christian Jankowski, 1968 in Göttingen geboren, gehört einer Künstlergeneration an, die mit Unterhaltungsmedien aufgewachsen ist. Anders als die Videopioniere der 1960er- und 1970er-Jahre, die mit dem Siegeszug des Fernsehens teilweise apokalyptische, teils utopische Erwartungen verknüpften, bedient sich die jüngere Künstlergeneration ganz selbstverständlich aus dem reichhaltigen Pool an medialen Bildern und Konzepten und verarbeitet sie in ihrem Sinne weiter. Die Radikalität, mit der die Massenmedien, insbesondere das Fernsehen, damals reflektiert und dekonstruiert wurden, ist einer pragmatisch-ironischen Haltung gewichen, die um die Verführungs- und Aufmerksamkeitsstrategien der Massenmedien weiß und sie sich zunutze macht. Doch sind die großen Themen der vorangegangenen Generation heute keineswegs obsolet geworden. Gerade im Werk von Christian Jankowski spielen Fragen nach den Rahmenbedingungen der Kunst, nach Originalität und Autorschaft, Interaktion und Intervention sowie nach Narzissmus und Selbstinszenierung vor der Kamera – wenn auch unter anderen Vorzeichen – eine entscheidende Rolle. Selten ist eine Jankowski-Arbeit von vornherein klar definiert. Sie entwickelt sich vor Ort, ist kontextabhängig und hat zumeist performativen Charakter. Dabei ist es nicht wichtig, ob am Ende tatsächlich eine Performance oder aber Video, Malerei oder Literatur entstehen. Der Inhalt eines Werks determiniert die Wahl des Mediums.

Nach ersten unbefriedigenden Versuchen auf dem Feld der Malerei, beginnt Jankowski noch als Student der Hochschule für bildende Künste Hamburg Performances und Aktionen durchzuführen, die teilweise auf Video aufgezeichnet werden. Für seine Arbeit Schamkasten (1992) funktioniert der Künstler das Schaufenster seiner Ladenwohnung zum öffentlichen Beichtstuhl um. Passanten und Freunde werden gebeten, im Fenster Platz zu nehmen und ein Schild zu präsentieren, auf dem sie ihre ganz persönlichen Schamgefühle preisgeben. Mit dieser Grenzüberschreitung zwischen privatem und öffentlichem Raum knüpft er an die künstlerischen Strategien der 1960er- und 1970er-Jahre an – mit dem kleinen, aber nicht unbedeutenden Unterschied, dass nicht er selbst, sondern Freiwillige sich zur Schau stellen.[2]

Jankowski übernimmt die Rolle des Initiators und sucht gezielt nach Personen, die seine Ideen ihres persönlichen oder beruflichen Hintergrundes entsprechend mitgestalten und verändern. So ist es beispielsweise seine, wie er selbst zugibt, fehlende literarische Begabung, die er 1998 zum Anlass nimmt, Mein erstes Buch zu veröffentlichen.[3] Inspiriert von Schreibzimmern berühmter Schriftsteller und angeleitet von Literaturexperten, schreibt Jankowski Tag für Tag während seiner sechswöchigen Ausstellung in der Literaturstadt Frankfurt an einem Werk, das sämtliche Literaturgenres und Schreibstile bedient. Natürlich wird das Buch nach Fertigstellung in einer Lesung vorgetragen und erntet eher verhaltene Kritiken. [...]


[1] Massimiliano Gioni, „Streng vertraulich”, in: Suzette Lee (Hg.), Dramensatz, Ausst.-Kat., Museum für Gegenwartskunst Basel, Christoph Merian Verlag, Basel, 2003, S. 23.
[2] Ähnlich ist auch die Videoarbeit Create Problems (1999) angelegt, in der Jankowski freiwillige Paare in einem Dolly-Buster-Filmstudio semipornografische Szenen nachspielen lässt.
[3] Angelika Nollert und Christian Jankowski (Hg.), Mein erstes Buch, Ausst.-Kat., Portikus, Frankfurt am Main, 1998.



Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung


Christian Jankowski
Kunstwerk verzweifelt gesucht, 1997

Schwarz-Weiß-Fotografien, 9-teilig, Video
je 65 x 50 cm; 18 min

Christian Jankowski
Puppet Conference Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, 2003

DVD
25 min

Christian Jankowski
Kunstmarkt TV, 2008

DVD
45:15 min

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Christian Jankowski
Puppet Conference
Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, 2003
[Still]
DVD, 25’00’’


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