Thomas Demand

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Ludwig Seyfarth

Thomas Demand. Welt ohne Spuren


Thomas Demand baut Modelle. Auf einer Fotografie von 1994 kann man das auf den ersten Blick noch gut erkennen, kaum ein  Betrachter würde die Fabrik für ein echtes Gebäude halten. Zu glatt und uniform sehen die Wände aus, zu grell die Beleuchtung, die kaum von natürlichem Sonnenlicht herrühren kann, da ansonsten der Himmel eigentlich blau sein müsste.
Die Fabrik ist ein Architekturmodell, das der als Bildhauer ausgebildete Demand hergestellt und anschließend abfotografiert hat. Das Modell erscheint schräg in leichter Untersicht, wie es in der modernen Architekturfotografie häufig geschieht, um Größe und Dynamik von Gebäuden zu unterstreichen. Es wirkt wie eine verallgemeinerte Darstellung der Fabrik, wie eine visuelle Minimaldarstellung dieses Begriffs in einem Wörter- oder Sprachlehrbuch. „Dies ist keine Fabrik“, mag der Betrachter wie bei den Wort-Bild-Spielen René Magrittes denken. Die Menschenleere und die auf Details verzichtende Darstellungsweise erinnert an architektonische Szenerien in Bildern de Chiricos oder der Maler der Neuen Sachlichkeit in den 1920er-Jahren, bei denen aus Fabrikschornsteinen kein Rauch aufsteigt.
Mit der Industriefotografie in der Tradition der Neuen Sachlichkeit, wie sie von Bernd und Hilla Becher gepflegt und an der Düsseldorfer Akademie gelehrt wurde, war Thomas Demand während seiner Studienzeit dort zwangsläufig sozialisiert worden, selbst wenn er nicht in Bernd Bechers Klasse, sondern in der Bildhauerklasse von Fritz Schwegler war.

Demand zeigt jedoch nie die Modelle selbst, sondern nur die Fotografien von ihnen, bei denen – wie im Fall der Fabrik – nicht mehr nachvollziehbar ist, welcher Maßstab dem Modell zugrunde lag, das meistens nach Herstellung der Fotos zerstört worden ist.
Eine andere Aufnahme zeigt ein Durcheinander auf einem Schreibtisch: eine Schreibmaschine, ein weißer Aschenbecher, ein gelber Kaffeebecher, Zettel, Briefumschläge, eine blaue Box. Dann entsteht die Schwierigkeit, die Dinge genauer zu beschreiben. So liegen auf dem Tisch weitere rechteckige Gegenstände, die aber nicht detailliert genug wiedergegeben sind, um sie eindeutig, etwa als Bücher oder Videokassetten, ausmachen zu können. Das Arrangement weist ein künstlich wirkendes Kolorit auf, die fehlende Detailstruktur der Dinge lässt sie beinahe wie farbige Bauklötze aussehen.
Detail II (1996) ist eine von mehreren separaten Arbeiten, die Ausschnitte aus der Reihe Room zeigen, bei denen die räumliche Umgebung des Schreibtisches zu sehen ist, so im Vordergrund ein von mehreren herumliegenden Schachteln bedecktes Bett.
Diese Unordnung übernimmt Demand von dem Foto des New Yorker Hotelzimmers, in dem der Science-Fiction-Schriftsteller und Gründer der Scientology-Sekte Ron L. Hubbard von 1972 bis 1973 lebte und an der Weiterführung seiner Dianetik-Lehre arbeitete.

Ein Großteil der seither entstandenen Modelle aus Papier und Karton, die Demand nach ihrer Fertigstellung abfotografiert oder abfotografieren lässt, beruht auf Fernseh- oder Pressebildern oder im Internet gefundenen Abbildungen von Orten, die mit wichtigen, in den Medien verbreiteten Ereignissen zu tun haben. Zu den bekanntesten und am meisten diskutierten Bildern gehört die Vorlage für Badezimmer (1997) das sich auf den Tod von Uwe Barschel bezieht. [...]


Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung

Thomas Demand
Fabrik, 1994

C-Print, Diasec
120 x 185 cm

Thomas Demand
Luke, 2001

C-Print, Diasec
150 x 205 cm

Thomas Demand
Rechner, 2001

C-Print, Diasec
175 x 437 cm

Thomas Demand
Ghost, 2003

C-Print, Diasec
122 x 160 cm

Thomas Demand
Leuchtkasten, 2004

C-Print, Diasec
152 x 290 cm

Thomas Demand
Attempt, 2005

C-Print, Diasec
166 x 190 cm

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