Michel Majerus

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Michel Majerus: Aufnahmeposition / Löschschutzposition - record position / protected position, 1999

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Ralf Christofori

Michel Majerus – Hohe Kunst und Pop Trash


Das Werk von Michel Majerus ist ein unvollendetes. Geboren im Jahr 1967, studierte er von 1986 bis 1992 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, bevor er sein Leben und seine Arbeit nach Berlin verlegte. Nur zehn Jahre später kam er bei einem Flugzeugunglück nahe seiner Geburtstadt Luxemburg ums Leben.

Majerus war einer der Jüngsten, als die Landesbank Baden-Württemberg im Jahr 1999 ihre soeben fusionierte Sammlung deutscher Gegenwartskunst in mehreren Ausstellungshäusern Stuttgarts präsentierte. Er war damals 32 Jahre alt. Gezeigt wurden einige seiner quadratischen Leinwandarbeiten, mittelformatige Etüden in Acryl – schnell gemalt und damit „dem Vergessen enteilend“[1], in denen wilde Abstraktion und Farbfeldmalerei, Trash und Trance, Ikonik und Comic geradezu rücksichtslos miteinander konfrontiert wurden. Diese allesamt unbetitelten Arbeiten fügten sich – jede für sich und alle zusammen – wunderbar in die Sammlungsumgebung ein: Prächtig verstanden sie sich mit den Arbeiten von Michel Majerus’ Berliner Weggefährten Tobias Rehberger und Franz Ackermann; souverän knüpften sie an die Werke von Martin Kippenberger und Albert Oehlen an, die man getrost als Majerus’ künstlerische Mentoren bezeichnen darf. Und wenn man der versalen Inschrift „A LINK TO THE PAST“ auf einer seiner Leinwände folgte, gelangte man angesichts der Fülle von malerischen und motivischen Referenzen, die er in seinen Arbeiten ausbreitete, unweigerlich zu Sigmar Polke, Willem de Kooning, Andy Warhol und anderen internationalen Größen.

Ganz gleich, ob man diese künstlerische Haltung Michel Majerus’ als Umarmung oder Vereinnahmung deuten möchte – sie scheint sich rückblickend in einer wesentlichen Beobachtung zu bestätigen. Kaum eine Arbeit von ihm steht für sich allein. Sie sucht immer die Auseinandersetzung mit anderen Arbeiten. Und zwar nicht nur mit den Werken anderer Künstler, sondern auch und gerade mit den eigenen Arbeiten. Die bereits erwähnten quadratischen Leinwände präsentierte Majerus erstmals im Jahr 1996 in einer Einzelausstellung in der Berliner Galerie neugerriemschneider, wo sie in einem Raster von fünf mal sechs Arbeiten eine ganze Wand füllten. Die Ausstellung trug den ebenso vorsichtigen wie beharrlichen Titel fertiggestellt zur zufriedenheit aller, die bedenken haben.

Die Bedenken, die Majerus gemeint haben könnte, stammen aus einer Zeit, in der die sogenannte Theorie der Postmoderne unter dem Feigenblatt des Pluralismus nach wie vor ihre eigenen Kinder zu fressen drohte. So schreibt etwa Arthur C. Danto missbilligend, man könne jetzt „am Morgen ein abstrakter Maler sein, am Nachmittag ein Photorealist und am Abend ein minimaler Minimalist. [...] Das Zeitalter des Pluralismus ist da. Es spielt keine Rolle mehr, was man macht – das ist es, was Pluralismus bedeutet.“[2] Dantos Diagnose lässt jedoch unberücksichtigt, dass der Pluralismus der Stile und Ausdrucksformen nur das probate Mittel zum Zwecke einer tieferen Auseinandersetzung mit der Malerei oder dem Bild sein kann. Wie etwa bei Michel Majerus. [...]


[1] Vgl. Raimar Stange, „Michel Majerus”, in: Landesbank Baden-Württemberg (Hg.), ZOOM. Ansichten zur deutschen Gegenwartskunst, Sammlung Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart, Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit, 1999, S. 374.
[2] Arthur C. Danto, Die Philosophische Entmündigung der Kunst, Fink, München, 1993, S. 144.



Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung


Michel Majerus
Tron 6 (rot pantone 1788), 1999

Siebdruck auf Leinwand und Wandfarbe
300 x 300 cm, Siebdruck: 142 x 122 cm

Michel Majerus
Aufnahmeposition / Löschschutzposition –  record position / protected position, 1999

Digitaldruck auf Spanplatte und Lack auf Holz
Maße variabel (ca. 300 x 110 x 150 cm)

Michel Majerus
ohne Titel, 2000

Acryl auf Baumwolle
260 x 450 cm

Michel Majerus
3mmT-1, 2001

Acryl auf Baumwolle
280 x 400 cm

Michel Majerus
Pop trash, 2001

Acryl auf Baumwolle
280 x 400 cm

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Michel Majerus
Aufnahmeposition / Löschschutzposition - record position / protected position
1999
Digitaldruck auf Spanplatte, Lack auf Holz, Rigips
Maße variabel
[Installationsansicht: Colour Me Blind!,Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, 1999]
© Nachlass Michel Majerus, 1999
Courtesy neugerriemschneider, Berlin
Foto: Uwe Seyel, Stuttgart


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