Werner Büttner

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Werner Büttner: Die Kuh, die den blauen Pullover gefressen hat, 1983

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Ludwig Seyfarth

Werner Büttner. Blaue Blume und blauer Pullover

Nichts war Ende der 1970er-Jahre so out wie die Malerei. Die gestische Askese des Konzeptualismus und Minimalismus hatte sich nahezu flächendeckend durchgesetzt, der Geruch nach Ölfarbe wurde gemieden wie Krankheitserreger in keimfreien Räumen. Aber wie so oft bei einseitigen Tendenzen brachen die unterdrückten Affekte schließlich wieder verstärkt hervor und verursachten einen übertriebenen Hang zum genauen Gegenteil. In Deutschland kam es zum Boom einer „wilden“ Malerei, bei der handwerkliches Können häufig ebenso wenig zum Tragen kam wie bei einem Großteil der Punkmusik, die damals der Trend der Stunde war.

In diesem Klima kamen Werner Büttner, Albert Oehlen und später auch Martin Kippenberger in Hamburg zusammen. Mit ihren kantig-expressiven Bildern passten die Malerfreunde auf den ersten Blick ins neoexpressive Klischee, das Anfang der 1980er-Jahre für kurze Zeit den Kunstmarkt überspülte und mitunter astronomische Preise erzielte. Doch die drei gehörten nicht zu den „wilden Malschweinen“, die befreit von konzeptualistischer Theoriebürde endlich wieder im wahrsten Sinne des Wortes auf die Tube drücken wollten.
Systematische Verkehrung der zu Leerformeln gewordenen Parolen der 68er und ein oft zynischer Wortwitz kennzeichnete ihre zwischen Kalauerei und philosophischem Tiefsinn oszillierende Kunst. Bereits 1976 gründete er zusammen mit Albert Oehlen die Liga zur Bekämpfung des widersprüchlichen Verhaltens und 1980 richtete er eine Samenbank für DDR-Flüchtlinge ein.
Till Briegleb hat die Kennzeichen der „neuen realistischen Absurdität“, die von Büttner mitgeprägt wurde, so benannt: „Die Spiegelfechtereien mit intellektueller Begrifflichkeit und philosophischen Geltungsansprüchen, das neo-dadaistische Spektakel von Wortschöpfungen und Sinnentstellung, die Sabotage von Korrektheit durch die Entwertung von Symbolen.“ [1]

Anders als sein langjähriger Weggefährte Albert Oehlen blieb Büttner bis heute einer Linie treu, die das Bild mit dem Wort ironisch und doppelbödig verbindet. Genuin bildnerische, die Darstellungsmittel der Malerei selbst betreffende Fragen, denen sich Oehlen zunehmend zuwandte, treten bei Büttner zurück hinter einem Vorgehen, das an ein Denken in Bildern erinnert, wie es René Magritte postulierte.
Es wird kolportiert, dass Oehlens Behauptung, Büttner hätte gar kein Talent zum Malen, ihn erst dazu anspornte, Pinsel und Farbe in die Hand zu nehmen. Der 1954 in Jena geborene Büttner war schon auf ganz anderen Feldern unterwegs gewesen, hatte an der Freien Universität Berlin Jura studiert und besaß immer schon eine Neigung zur Literatur – und zum Unterlaufen großer Behauptungen und Systeme.

„Das Schicksal sozialisierte mich zum Systemflüchter“, bekundet der Anfang der 1960er-Jahre mit seinen Eltern aus der DDR nach Westdeutschland übergesiedelte Künstler. „Demgemäß bevorzuge ich immer das Fragmentarische, Aphoristische, die Rätselrede, das kleine poetische Dickicht. Die Koffer der Systeme sind mir zu schwer.“ [2]
So wandte Büttner sich scheinbar peripheren und nebensächlichen Fragen zu wie den „Problemen des Minigolfs in der Malerei“, die er 1982 auf einer Reihe von Leinwänden so ins Bild setzte, „als hätte de Chirico oder Boullée da seinen Kindern was zu Weihnachten gebaut.“ [3] [...]


[1] Till Briegleb, „Pflege deine Zähne”, in: Süddeutsche Zeitung, 09.07.2003.
[2] Zit. n. Harald Falckenberg, „Theorien von mittlerer Reichweite. Einige Details”, in: Uta Grosenick (Hg.), Werner Büttner – Verkehrte Welt, Ausst.-Kat., Deichtorhallen Hamburg, Taschen, Köln, 2003, S. 14.
[3]  Friedrich W. Heubach, „Bilder zum Erbarmen – für den Freund Werner Büttner”, in: Werner Büttner. Die Probleme des Minigolfs in der europäischen Malerei, Ausst.-Kat., Galerie Max Hetzler, Köln, 1983, S. 26.



Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Desastres de la Democracia [Katastrophen der Demokratie], 1980-1996

Mischtechnik auf Papier
29,7 x 21 cm

Werner Büttner
Badende Russen II, 1982

Öl auf Leinwand
150 x 190 cm

Werner Büttner
Die Kuh, die den blauen Pullover gefressen hat, 1983

Öl auf Leinwand
190 x 150 cm

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Werner Büttner
Die Kuh, die den blauen Pullover gefressen hat
1983
Öl auf Leinwand
190 x 150 cm
© Werner Büttner
Foto: Archiv Sammlung Landesbank Baden-Württemberg

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