André Butzer

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André Butzer: Hölderlin Apotheke, 2003

-> weitere Werke in der Ausstellung

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Thomas Groetz

Kindlicher Trotz in einer entleerten Welt

Zur Malerei von André Butzer


André Butzer entwickelt seit Ende der 1990er-Jahre seinen Beitrag zur Malerei der Gegenwart. Im Vordergrund seines Interesses stand zunächst das mehrfigurige Bild. Die Figuration beziehungsweise die Auflösung der Figur in den Bildraum war und ist seitdem sein wichtigstes malerisches Anliegen. Die Zeichenhaftigkeit der Figurationen, der Aufbau der Bildwesen aus comicartigen Einzelelementen sowie ihre Reduktion auf Zeichen, die als Abstraktion gelesen werden können, aber nicht müssen, stecken das zentrale Beschäftigungsfeld des Künstlers ab.
Bevor eine systematisch angelegte Typisierung seiner Bildwesen einsetzte, konfrontierte Butzer den Betrachter mit bunten Mehrfigurenbildern. Im Bild Helfet und viel Glück (2000) fügen sich drei bis vier Figuren in einer semi-ungegenständlichen Welt aus Form und Farbe zusammen. Ihre verklebten oder verwachsenen, körperähnlichen Erscheinungsformen werden von musterartigen Lineaturen und Punktflächen ergänzt. Der mit Figuren bestückte Umraum ist aufgrund einzelner, schattig wirkender Farbstrecken zu erahnen, kommt darüber hinaus aber auch als blasenartige Ausstülpung aus dem Figurenkonglomerat zum Vorschein.
Butzer begann etwa ab 2000 eine Art Genealogie von männlichen Figurentypen zu entwickeln, denen er kuriose Bezeichnungen und Namen gab, unter anderem den Friedens-Siemens-Typus. Ballonartige Köpfe, die bereits in Helfet und viel Glück zu erkennen sind, werden von ihrer Körperstruktur gelöst und füllen den Bildraum vollständig aus. Das Bild Todall! (1) (2002/2003) zeigt einen solchen Typus mit seinen überproportionierten Comicaugen und einer geschwungenen Linie darunter, die sich als ein kindlich-selbstzufrieden lächelnder Mund entziffern lässt.
Ein anderer Figurentypus aus dieser Zeit ist der sogenannte Schande-Mensch, ein Wesen, das dem Betrachter häufig mit einem penisartigen, verstümmelten Arm entgegenwinkt, obwohl es als Lebloser charakterisiert wird. Sein Kopf ist ein lächelnder Totenschädel mit schwarzen Löchern als Augen. Eine Abwandlung dieses Typus ist der Wanderer, der uns auch im Bild Hölderlinapotheke (2003) begegnet: Er ist mit Wanderutensilien wie schweren Stiefeln und einem gekrümmten Wanderstab ausstaffiert und macht sich auf den Weg. Wohin er wandert, ist nicht klar: fort aus dem Reich der Toten oder geradewegs dorthin?
André Butzer kombinierte seine verschiedenen Einzeltypen auch zu Bildkompositionen mit mehreren Figuren. Seine mit schnell fließender, dünnflüssiger, transparent wirkender Ölfarbe auf dem Fußboden gemalte Serie Hemmleben (2003) erscheint als eine Art (Anti)-Lebensfries unserer in ihrer Entwicklung ins Stocken geratenen Epoche: Grimmig gestikulierende „Männer“ in braunen Jacken, unbedarft oder selbstversunken lächelnde „Frauen“ und „kindartige“, naiv bis dumm dreinschauende Kopffüßler auf Stummelbeinchen geben sich auf den querformatigen Bildstreifen ein Stelldichein. Ihre additive Zusammenfügung entbehrt allerdings einer wirklichen Begegnung. Jede Figur bleibt in ihrer grotesken, pseudonaiven Andersartigkeit oder übertriebenen Selbstbezogenheit für sich allein. Ähnlich den frühen Figurenbildern von André Butzer gibt es allein farbige Flächen, die den Bild-Raum andeuten.


Katalogauszug "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"
Herausgeber: Lutz Casper, Gregor Jansen, erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, 2009

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Werke in der Ausstellung


André Butzer
Helfet und viel Glück!, 2000

Acryl auf Leinwand
200 x 170 cm

André Butzer
Todall! (1), 2002/2003

Öl auf Leinwand
230 x 200 cm

André Butzer
Hölderlin Apotheke, 2003

Öl auf Leinwand
270 x 220 cm

André Butzer
Hemmleben (Teil 4), 2003

Öl auf Leinwand
198 x 384 cm

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André Butzer
Hölderlin Apotheke
2003
Öl auf Leinwand
270 x 220 cm
© André Butzer
Foto: Alistair Overbruck, Köln

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